Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Anspruch eines behinderten Menschen auf bedürftigkeitsunabhängige Finanzierung eines Kraftfahrzeuges. Eingliederungshilfe. medizinische Rehabilitation. allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Bedürftigkeitsabhängigkeit. Altenhilfe. Bedürftigkeitsunabhängigkeit nur von persönlichen Hilfen. UNBehRÜbk
Leitsatz (amtlich)
1. Art 20 UN BRK (juris: UNBehRÜbk) verpflichtet die Vertragsstaaten nicht, behinderten Menschen die Beschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeuges bedürftigkeitsunabhängig zu finanzieren. Art 20 UN BRK (juris: UNBehRÜbk) verdrängt folglich nicht den Nachranggrundsatz des § 2 Abs 1 SGB 12.
2. Altenhilfe wird nur dann nach § 71 Abs 4 SGB 12 bedürftigkeitsunabhängig geleistet, wenn sie als persönliche Hilfe, mithin vorrangig als Dienstleistung, erbracht wird.
Orientierungssatz
Ein Anspruch auf Finanzierung eines Kraftfahrzeuges als Hilfsmittel der medizinischen Rehabilitation kommt nur bei behindertengerechten Fahrzeugumbauten oder Zusatzausrüstungen in Betracht. Im Übrigen unterfallen Kraftfahrzeuge als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens nicht der Leistungspflicht des medizinischen Rehabilitationsträgers.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19. August 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Streit stehen Sozialhilfeleistungen zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges.
Die 1934 geborene Klägerin, die Inhaberin eines Schwerbehindertenausweises (Grad der Behinderung 90) mit den eingetragenen Merkzeichen G, aG, B und RF ist, wandte sich mit Schreiben vom 08.01.2008 an den beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger, um von ihrem Recht auf ein Persönliches Budget Gebrauch zu machen und ihren PKW, der ihr die Mobilität ermögliche, “mit abfinanzieren zu lassen„. Beigefügt war eine Bankbestätigung vom 05.12.2007, nach der die Kreditbelastung für den PKW monatlich 66,00 € betrug bei einer zu tilgenden Kreditsumme von 3.319,11 €. Im Jahre 2008 bezog die Klägerin Altersrente in Höhe von 698,73 € monatlich sowie Witwenrente in Höhe von 479,11 € monatlich. Sie verfügte bei der Sparkasse M… G… über ein Guthaben von 42.000,00 €, über das ein Sparvertrag mit einer vom 12.04.2007 bis 11.04.2011 laufenden Sonderzinsvereinbarung geschlossen war; die Kapitalerträge hieraus beliefen sich auf monatlich 152,00 €. Der Rückkaufwert einer Lebensversicherung bei der Quelle-Versicherung betrug damals 1.253,65 €. Für ihre Wohnung waren im Jahre 2008 monatlich 380,00 € Nebenkostenvorauszahlungen und 75,00 € Heizkostenvorauszahlungen zu leisten. Mit Bescheid vom 28.01.2008 und Widerspruchsbescheid vom 15.05.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da es der Klägerin mit ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen zuzumuten sei, die Ratenzahlung des Kraftfahrzeuges selbst zu bestreiten.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.05.2008 Klage zum Sozialgericht Leipzig (SG) erhoben.
Am 17.12.2009 hat die Klägerin die Gewährung von Haushaltshilfe und Kfz-Beihilfe in Form eines Persönlichen Budgets bei ihrer Krankenkasse, der AOK Plus, beantragt. Diese hat als für den Erlass des Gesamtbescheides zuständige Behörde mit Bescheid vom 21.12.2010 Haushaltshilfe und - im Namen des Beklagten - eine Kfz-Beihilfe abgelehnt, da keine Hilfebedürftigkeit bestehe. Letzteres ergebe sich aus den Einkommens- und Vermögensverhältnissen, die die Klägerin mit ihrem Sozialhilfeantrag vom 04.03.2010 beim Beklagten bekannt gegeben habe. Danach betrugen im Jahre 2010 ihr Renteneinkommen 1.250,00 € monatlich, die Kapitalerträge 60,00 € monatlich, das Guthaben auf dem Sparkonto betrug 43.000,00 €, wovon nach den Angaben der Klägerin 20.000,00 € verpfändet waren, und der Rückkaufwert der Lebensversicherung 4.000,00 €.
Das SG hat die am 28.05.2008 erhobene Klage mit Urteil vom 19.08.2011 abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf die in der mündlichen Verhandlung zuletzt beantragte Eingliederungshilfe in Form einer Kfz-Beihilfe. Leistungen der Eingliederungshilfe könnten nur unter Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen erbracht werden (§ 92 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB XII≫). Die Klägerin verfüge über ein Sparguthaben von über 43.000,00 € bei einem Schonvermögen von nur 2.600,00 €. Leistungen stünden auch nicht zur medizinischen Rehabilitation nach § 53 SGB XII zu, da sie nach der für das Jahr 2010 eingereichten Aufstellung im Durchschnitt lediglich zweimal monatlich einen Arzt aufsuche. Die Kosten wären auch nicht unangemessen, da sie die Raten in Höhe von 66,00 € monatlich bequem aus ihrem laufenden Einkommen bestreiten könne, ohne bedürftig zu werden.
Gegen das ihr am 20.09.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20.10.2011 Berufung eingelegt. Das SG habe nicht über einen Anspruch auf Altenhilfe nach § 71 SGB XII befunden, der unabhängig von Einkommen und Vermögen bestünde. Die Prüfung anhand ihrer finanziellen V...