Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeldanspruch. Anwartschaft. keine Verlängerung der Rahmenfrist für Pflegepersonen bei fehlendem Leistungsbezug des Pflegebedürftigen. verfassungskonforme Auslegung
Orientierungssatz
§ 124 Abs 3 S 1 Nr 1 SGB 3 ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass neben dem Vorliegen der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen der Leistungsbezug durch den Pflegebedürftigen auch dann erforderlich ist, wenn Leistungen für Zeiten der Pflege lediglich wegen fehlender Bedürftigkeit des Pflegebedürftigen nicht gewährt wurden.
Nachgehend
Tenor
I. |
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Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 08. Juni 2006 wird zurückgewiesen. |
II. |
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Außergerichtliche Kosten - auch des Berufungsverfahrens - sind nicht zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger nach Beendigung der Pflege seiner pflegebedürftigen Mutter Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.
Der ... 1943 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 15. Dezember 2004 die Bewilligung von Arbeitslosengeld. Er trug vor, im August 1989 habe er die Ausübung einer pflichtversicherten Tätigkeit wegen der Pflegebedürftigkeit seiner am 12. Dezember 2004 verstorbenen Mutter unterbrochen und am 01. September 1989 die ehrenamtliche Pflegetätigkeit aufgenommen. Diese sei nach damaligem Recht einer versicherten Tätigkeit gleichgestellt gewesen, weil seine Mutter die Voraussetzungen für den Bezug von Pflegegeld der Stufe III (nach dem Recht der DDR) erfüllt habe. Pflegegeld sei bis Dezember 1991 gezahlt worden, jedoch wegen der "gesellschaftlichen Veränderungen" eingestellt worden. Für die Zeit der nicht erwerbsmäßigen Pflege seien die Voraussetzungen einer rentenrechtlichen Zeit erfüllt. Ab dem 01. April 2005 seien Pflichtbeiträge für Pflegetätigkeit entrichtet worden. Auf Grund der Pflegetätigkeit sei er seit 1991 freiwillig krankenversichert gewesen.
Auf Anfrage der Beklagten teilte der Kläger mit, dass Hilfe zur Pflege nach dem BSHG nicht bezogen worden sei. Die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. März 1995 sei für ihn als Berücksichtigungszeit wegen Pflege in der Rentenversicherung anerkannt worden. Die Zeit vom 01. April 1995 bis 12. Dezember 2004 sei ihm als Sozialversicherungsverhältnis mit Rentenversicherungspflicht anerkannt worden. Nach der vorgelegten Kopie des Ausweises für Arbeit und Sozialversicherung war der Kläger bis 30. August 1989 als Testarbeiter bei der Erdöl-Erdgas G GmbH beschäftigt. Vom 01. September 1989 bis 31. September 1991 ist darin Pflege der Mutter bestätigt. In dem Versicherungsverlauf der Rentenversicherung wird für die Zeit ab dem 01. April 1995 die Entrichtung von Pflichtbeiträgen für Pflegetätigkeit bestätigt.
Mit streitigem Bescheid vom 12. Januar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Anwartschaftszeit nicht erfüllt sei. Innerhalb der Rahmenfrist von drei Jahren vor dem 15. Dezember 2004 habe er nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) bestehe nicht, da innerhalb der Vorfrist von einem Jahr kein Alg bezogen worden sei.
Hiergegen legte der Kläger den am 28. Januar 2005 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch ein. Er rügte, dass die Beklagte die Rahmenfrist unzutreffend ermittelt habe, weil diese durch die Zeiten der Pflegetätigkeit zu verlängern gewesen bzw. die Pflegetätigkeit nicht in die Rahmenfrist einzurechnen gewesen sei.
Die Zahlung von Pflegegeld an seine Mutter für die Zeit bis zum 31. Dezember 1991 wies er durch Vorlage der Bescheide der staatlichen Versicherung der DDR bzw. des gemeinsamen Trägers der Sozialversicherung bzw. der Überleitungsanstalt Sozialversicherung nach.
Ab Januar 1992 sei seiner Mutter kein Pflegegeld mehr gezahlt worden, weil sie finanziell nicht bedürftig genug gewesen sei, um Hilfe zur Pflege beanspruchen zu können.
Des Weiteren belegte er die Zahlung von Pflegegeld der Stufe I ab 01. April 1995 und die Zahlung von Pflegegeld der Stufe II ab dem 01. Februar 2003 an seine verstorbene Mutter.
Auf nochmalige Nachfrage der Beklagten, ob die Mutter des Klägers als zu Pflegende im Zeitraum vom 01. September 1989 bis 31. Dezember 1991 und vom 01. Januar 1992 bis 31. März 1995 Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) oder gleichartige Leistungen bezogen habe, teilte der Kläger mit, dass trotz Weiterbestehens der Pflegebedürftigkeit die Pflegegeldzahlung ab dem 01. Januar 1992 eingestellt worden sei. Bei der Hilfe zur Pflege nach dem BSHG sei vorrangig von Bedeutung gewesen, wie der Pflegling seine Pflegekosten finanziere. Mit seiner Pflegetätigkeit habe er keine Pflegekosten verursacht, die seine Mutter zu tragen gehabt hätte. Erst dann, wenn mangels eigenen Einkommens und Vermögens die Finanzierung der Pflege nicht mehr sichergestellt gewesen wäre, habe damals Pflegehilfe nach dem BSHG beansprucht werden können. Ein entsprechender Anspruch seiner ...