Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auskunftspflicht. Partner des Leistungsberechtigten. Voraussetzungen. Teilrechtswidrigkeit des Auskunftsverlangens
Leitsatz (amtlich)
1. § 60 Abs 4 S 1 Nr 1 SGB 2 ist Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines Verwaltungsaktes.
2. Zur Frage der Möglichkeit einer Teilrechtswidrigkeit eines Auskunftsverlangens gegenüber dem Partner einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.03.2013 sowie der Bescheid des Beklagten vom 15.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2011 aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 8/10.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich nach erfolglos durchgeführtem Widerspruch- und Klageverfahren weiter gegen ein Auskunftsverlangen des Beklagten.
Der Kläger und die zu diesem Zeitpunkt bei dem Beklagten im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) stehende C… K… sind seit Dezember 2009 gemeinschaftlich Mieter der Wohnung E… … in … O….
Unter dem 15. März 2011 richtete der Beklagte folgendes Schreiben an den Kläger:
"Sehr geehrter Herr L…,
im Rahmen der Leistungsgewährung nach SGB II für Frau K… werden Sie zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen, an die das SGB II seine Leistungspflicht knüpft, gebeten, Auskünfte über Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen. Zu diesem Zweck bitte ich Sie, die beigefügten Abdrucke ausgefüllt und unter Beilegung der entsprechenden Nachweise bis zum 01.04.11 vorzulegen.
Nach § 60 Abs. 4 Nr. 1 SGB II haben Partner Auskünfte über Einkommen und Vermögen zu erteilen, soweit es zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist.
Wer sich weigert dieser Verpflichtung nachzukommen, handelt ordnungswidrig und ist gemäß § 62 SGB II zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet."
Dem Schreiben waren das Formblatt "Einkommensbescheinigung-Nachweis über die Höhe des Arbeitsentgelts-", das Formblatt "Anlage VM zur Feststellung der Vermögensverhältnisse der Antragstellerin/des Antragstellers und der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen" sowie das Formblatt "Anlage WEP zur Eintragung weiterer Personen der Bedarfsgemeinschaft ab 15 Jahren" beigefügt.
Den dagegen geführten Widerspruch des Klägers vom 23. März 2011 verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2011 als unzulässig. Mit dem angegriffenen Schreiben vom 15. März 2011 werde in Rechte des Klägers nicht eingegriffen.
Die Klage vom 22. Juni 2011 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 15. März 2012 nach Beweiserhebung durch Vernehmung von C… K… als Zeugin mit Urteil vom 15. März 2012 abgewiesen. Das Auskunftsverlangen des Beklagten sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 60 Abs. 4 Satz Nr. 1 SGB II seien erfüllt. Im Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme lebten der Kläger und die Zeugin K… nicht als bloße Wohngemeinschaft zusammen. Anhand vielfältiger Indizien ergebe sich vielmehr das Bild einer auch nach außen gelebten Partnerschaft im Sinne einer Einstandsgemeinschaft. Die Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II habe der Kläger nach alldem nicht wiederlegen können. Er sei daher nach § 60 Abs. 4 SGB II auskunftspflichtig. Der Umfang der verlangten Auskünfte sei nicht zu beanstanden. Nur auf der Grundlage der abgeforderten Informationen könne der Beklagte prüfen, in welchem Umfang C… K… hilfebedürftig sei.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 23. April 2012. Er lebe mit der Zeugin K… nicht in einer Partnerschaft, sondern lediglich in einer Wohngemeinschaft, ohne dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, bestehe. Das Sozialgericht habe die Aussage der Zeugin K… in rechtsfehlerhafter Weise gewürdigt. Auch überschreite das Auskunftsverlangen des Beklagten die gesetzlich zulässigen Grenzen.
Mit Ablauf des 31. August 2012 hat der Leistungsbezug der Zeugin K… geendet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15.03.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Begründung seines Widerspruchsbescheides und das aus seiner Sicht zutreffende erstinstanzliche Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 15. März 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2011 sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Sie sind, ebenso wie das zu einem anderen Ergebnis gelangende Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 15. März 2012, aufzuheben.
Nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. ...