Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2108. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. arbeitstechnische Voraussetzung. langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten. langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung. modifiziertes Mainz-Dortmunder Dosismodell. aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand. hälftiger Orientierungswert für Frauen: 8,5 MNh. Näherin

 

Leitsatz (amtlich)

Das vom BSG modifizierte Mainz-Dortmunder Dosismodell (MDD) stellt weiterhin den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Beurteilung der geforderten Einwirkungen (langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung) im Sinne der BK-Nr 2108 BKV dar. Änderungen haben sich nach derzeitigem Kenntnisstand aus der Deutschen Wirbelsäulenstudie II nicht ergeben.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 18. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob bei der Klägerin eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 bzw. 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BK-Nr. 2108 bzw. 2109 BKV) vorliegt.

Die 1957 geborene Klägerin erlernte den Beruf der Näherin, in dem sie vom 01.09.1971 bis 31.08.1996 bei der Y.... Trikotfabrik KG X...., später VEB Sporttrikotagen X...., später Trikotagen W.... V...., zuletzt U.... Textil GmbH & Co KG und vom 01.04.1999 bis 30.04.2011 bei dem Unternehmen T.... Trikotagen beschäftigt war.

Mit Schreiben vom 16.12.2011 äußerte eine behandelnde Ärztin der Klägerin bei der Beklagten den Verdacht des Bestehens einer BK wegen Beschwerden der Klägerin in der Brust- bzw. Halswirbelsäule und einem allergischen Asthma bronchiale. Die Beklagte leitete u. a. im Hinblick auf die BK Nr. 2108 BKV das Feststellungsverfahren ein und ermittelte in arbeitstechnischer und medizinischer Hinsicht. Die Abteilung Prävention der Beklagten gab am 25.07.2012 eine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition der Klägerin nach deren konkreten Angaben zu ihrer Tätigkeit und ihrem Arbeitsplatz bei ihren Beschäftigungsbetrieben und bei der Heimarbeit ab. Für den Zeitraum vom 01.09.1971 bis 30.04.2011 ergebe sich eine Gesamtdosis von 5,8 X 106 = Meganewtonstunden (MNh). Der hälftige Orientierungswert nach der maßgebenden BSG-Rechtsprechung von 8,5 MNh sei nicht erreicht. Eine Einwirkung von schweren Lasten auf Schulter und Kopf habe die Klägerin nach Befragung nicht angegeben.

Mit Bescheid vom 27.11.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK-Nr. 2108 und Nr. 2109 BKV ab. Bei beiden Berufskrankheiten mangele es am Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2013 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte erneut das Fehlen der arbeitstechnischen Voraussetzungen an.

Am 13.05.2013 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben. Ziel der Klage war die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit. Im Klageverfahren hat die Klägerin mehrfach ergänzende Angaben zu ihrer Arbeitsplatzexposition gemacht und umfangreiche Unterlagen hierzu vorgelegt. Dazu hat die Abteilung Prävention der Beklagten am 02.02.2015 und am 18.09.2015 Stellung genommen und zusammenfassend ausgeführt: Unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin in Bezug auf die neu aufgeführten Arbeitszeiten sowie die vorgelegten Akkordbücher, Lohnunterlagen und Arbeitsverträge und nach nochmaliger Befragung der Klägerin errechne sich eine Gesamtbelastungsdosis von 6,0 MNh. Dabei sei bereits eine worst-case-Einschätzung vorgenommen worden. Die Abteilung Prävention hat unter dem 27.06.2016 mitgeteilt, wenn man die ganz konkreten Angaben der Klägerin im Schriftsatz vom 22.01.2016 zugrunde lege (ohne worst-case-Einschätzung), käme man lediglich zu einer Gesamtbelastungsdosis von 3,3 MNh. Dabei seien die Ausfalltage nach den SV-Büchern, den Angaben der Krankenkasse sowie nach dem Rentenversicherungsverlauf der Klägerin und die Wochenenden nicht berücksichtigt worden. Es habe nur eine Bewertung der für die BK-relevanten gefährdenden Einwirkungen stattgefunden, wie langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten sowie extreme Rumpfbeugehaltung beim Sortierung von Kleidungsstücken auf dem Boden (Beugung um mehr als 90 Grad). Dabei seien die Zeitanteile berücksichtigt worden, welche auf diese Tätigkeiten entfielen. Für die Tätigkeit des Hebens und Tragens in Heimarbeit sei der zurückzulegende Weg vom Hof bis in die Nähstube der Klägerin in Augenschein genommen und zugrunde gelegt worden. Diese Wegstrecke sei ebenfalls für die Tätigkeit im Betrieb angesetzt worden, wobei auch hier eine worst-case-Einschätzung vorgenommen worden sei. Auch hinsichtlich des Ausmaßes der Lasten habe man zugunsten der Klägerin gerechnet und das Gewicht der Nähstücke kumul...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?