Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme einer stationär durchgeführten Liposuktion bei Vorliegen eines Lipödems. Verwertung. Gutachten des MDK im gerichtlichen Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Behandlung eines Lipödems im Wege der stationär durchgeführten Liposuktion gehört nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung.

2. Auch im Anwendungsbereich des § 137c SGB V gilt, dass eine neue Behandlungsmethode erst dann zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, wenn ihre Erprobung abgeschlossen ist und über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen möglich sind (aA LSG Darmstadt vom 5.2.2013 - L 1 KR 391/12 - juris Rn 20).

3. Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems entsprechen nicht dem Maßstab der evidenzbasierten Medizin.

 

Orientierungssatz

Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) können auch im gerichtlichen Verfahren verwertet werden (vgl BSG vom 23.12.2004 - B 1 KR 84/04 B = juris RdNr 5).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.04.2018; Aktenzeichen B 1 KR 13/16 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 13. April 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin und Berufungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) begehrt von der Beklagten und Berufungsbeklagten (nachfolgend: Beklagte) die Übernahme der Kosten für eine stationär durchzuführende Liposuktion.

Die 1949 geborene und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin beantragte am 8. April 2011 und nochmals am 19. Juni 2011 die Kostenübernahme für eine Liposuktion. Zur Begründung gab sie an, dass trotz Kompressionsbehandlung und manueller Lymphdrainage keine Besserung ihres Lipödems zu verzeichnen sei. Beigefügt hatte sie eine Bescheinigung des Chefarztes der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Krankenhauses D-F, Prof. Dr. med. U W, vom 5. April 2011, der der Klägerin ein Lipödem Stadium I bescheinigte und weiter ausführte, dass die in Eigeninitiative durchgeführte Aktivität, wie Ernährungsumstellung, zu keinem weiteren Erfolg geführt habe. Kompressionsbestrumpfung werde bereits getragen. Er hielt eine Liposuktion für medizinisch indiziert, sinnvoll und wirtschaftlich. Diese werde voraussichtlich in zwei Sitzungen unter stationären Bedingungen erforderlich sein. Der von der Beklagten daraufhin eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen (MDK) kam in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 5. Juli 2011 zu dem Ergebnis, dass die Liposuktion keine vertragsärztliche zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbare Methode darstelle. Es fehle an einer Anerkennung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). Leistungsrechtliche Ausnahmekriterien nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bestünden beim Lipödem nicht. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe den fehlenden Leistungsanspruch auf eine ambulante Liposuktion bestätigt. Im stationären Bereich sei die Liposuktion nicht ausgeschlossen. Allerdings könne den vorliegenden Unterlagen eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit aus medizinischen Gründen nicht entnommen werden. Konkrete medizinische Befunde und konkrete zeitliche und inhaltliche Angaben zur laufenden Therapie fehlten. Es sei daher gutachterlich nicht einschätzbar, ob Optimierungen der vom Krankenhausarzt pauschal genannten therapeutischen Bemühungen möglich seien, wie Ödemreduktion mittels komplexer Entstauungstherapie, ggf. Gewichtsoptimierung.

Mit Bescheid vom 29. Juli 2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme unter Wiedergabe der vom MDK angeführten Gründe ab.

Hiergegen legte die Klägerin am 24. August 2011 Widerspruch ein und verwies darauf, dass nach der Bescheinigung von Prof. Dr. med. W. medizinische Behandlungsnotwendigkeit im stationären Bereich bestehe. Außerdem schilderte die Klägerin ihre bisherige Krankengeschichte und stattgefundene Therapien. Sie listete ihre aktuelle Medikation auf und machte weiter geltend, dass sie wegen der aneinander reibenden Fettlappen ständig wund sei, blaue Flecken bekomme und unter Druckschmerz leide.

Der von der Beklagten daraufhin erneut eingeschaltete MDK kam in seinem Gutachten vom 12. September 2011 zu dem Ergebnis, dass Hinweise auf eine Multimorbidität der Klägerin vorlägen, wegen der fehlenden konkreten Befunde gutachterlich aber keine Differenzierung zwischen einem pathologischen und kosmetischen Befund an den Extremitäten möglich sei. Die Klägerin legte daraufhin weitere Unterlagen wie den Entlassungsbrief von Prof. Dr. W vom 13. April 2011 und die Mitteilung des Physiotherapeuten vom   10. Oktober 2011 vor und gab eine Aufstellung der Diagnosen, Therapien und behandelnden Ärzte zur Verwaltungsakte. Des Weiteren reichte sie einen ärztlichen Bericht von ...

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