Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterngeld. Höhe. Berechnung. Einkommensberücksichtigung. selbstständige und nichtselbstständige Arbeit. vorzeitige Geburt. Mehrlingsgeburt. Anrechnung von Mutterschaftsgeld. Verfassungsmäßigkeit. zusätzliches Einkommen
Leitsatz (amtlich)
1. § 2 Abs 9 S 3 BEEG greift auch dann ein, wenn neben einem Einkommen aus selbstständiger Arbeit ein dieses übersteigendes Erwerbseinkommen aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt wird, da dem Begriff der "Zusätzlichkeit" iS der genannten Vorschrift kein quantitatives Element innewohnt (Anschluss an BSG vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 5).
2. § 2 Abs 9 BEEG verstößt in der durch das BSG mit Urteil vom 5.4.2012 - B 10 EG 4/11 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 13 bestätigten Auslegung nicht gegen höherrangiges Recht.
3. Im Falle einer vorzeitigen Geburt eines Kindes ist auch das vor dem erwarteten Geburtstermin gezahlte Mutterschaftsgeld auf das Elterngeld anzurechnen (Anschluss an LSG Darmstadt vom 26.9.2011 - L 6 EG 4/09).
4. Die Anrechnung des (verlängerten) Mutterschaftsgeldes bei Mehrlingsgeburten auf das Elterngeld ist nicht verfassungswidrig.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. November 2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), das der Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) für ihre beiden am 27.08.2007 geborenen Kinder E… und C… zusteht.
Die Klägerin erzielte im Zeitraum von Januar 2006 bis Juli 2007 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, und zwar in der Zeit vom Januar bis Dezember 2006 i.H.v. 12.074,01 EUR und im Zeitraum vom Januar 2007 bis Juli 2007 i.H.v. 12.398,00 EUR brutto. Weiter erzielte sie nach der Einnahmeüberschussrechnung für 2006 einen Jahresüberschuss i.H.v. 261,87 EUR aus selbständiger Tätigkeit. Im Zeitraum von Januar 2007 bis Juni 2007 erzielte sie aus der gleichen Tätigkeit 2.893,36 EUR.
Nach der Geburt ihrer beiden Kinder am …2007 beantragte sie am 19.11.2007 Elterngeld bei dem Amt für Familie und Soziales Chemnitz. Nach der Bescheinigung über Mutterschaftsgeld erhielt die Klägerin im Zeitraum vom 07.08.2007 bis 11.12.2007 je 13,00 EUR kalendertäglich. Weiter wurde ihr für den Zeitraum vom 28.07. bis 11.12.2007 ein arbeitgeberseitiger Zuschuss zum Mutterschaftsgeld i.H.v. 31,42 EUR kalendertäglich gezahlt.
Mit Bescheid vom 04.01.2008 bewilligte das Amt für Familie und Soziales C… der Klägerin für den Zeitraum vom 27.08.2007 bis 26.10.2008 Elterngeld i.H.v. monatlich 752,20 EUR. Für den Zeitraum vom 27.08.2007 bis 26.11.2007 errechnete sich nach Anrechnung des Mutterschaftsgeldes inklusive Arbeitgeberzuschuss hierzu einen Zahlbetrag von 0, da die anzurechnende Leistung höher war als das zustehende Elterngeld. Für den Zeitraum vom 27.11. bis 26.12.2007 wurde ein Zahlbetrag von 376,10 EUR unter Anrechnung der vorgenannten Leistungen für die Zeit bis zum 11.12.2007. Für den übrigen Zeitraum bis einschließlich 26.10.2008 wurden monatlich 752,20 EUR bewilligt.
Hiergegen legte die Klägerin am 06.02.2008 Widerspruch ein und meinte, der Berechnung sei der 12-Monatszeitraum vor dem Monat der Geburt der Zwillinge sowie der Gewinn aus dem Jahre 2006 zu Grunde zu legen. § 2 Abs. 9 Satz 3 BEEG sei nicht anwendbar, da vorliegend nicht zusätzlich zu den Einkünften aus Gewerbe Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit erzielt worden sei, sondern es sei umgekehrt. Die Anrechnung des gemäß § 2 Abs. 6 BEEG um 300,00 EUR erhöhten Elterngeldes auf das Mutterschaftsgeld sehe das Gesetz nicht vor. Das Gesetz gehe vom Normalfall, nämlich einem Kind aus. Sie habe auch nicht aufgrund der Zwillingsgeburt erhöhtes Mutterschaftsgeld bekommen. Das aufgrund der Mehrlingsgeburt um 4 Wochen länger gezahlte Mutterschaftsgeld sei ebenfalls anrechnungsfrei. Bei einer Anrechnung sei eine finanzielle Benachteiligung gegenüber Müttern mit nur einem Kind gegeben, die nicht vom Gesetzgeber gewollt sein könne. Da die Zwillinge 22 Tage vor dem errechneten Geburtstermin auf die Welt gekommen seien, sei das für diese Zeit gezahlte Mutterschaftsgeld nicht anzurechnen. Wären ihre Zwillinge zum errechneten Geburtstermin am 18.09.2007 gekommen, so hätte sie die vollen 6 Wochen vor der Geburt das Mutterschaftsgeld ohne Anrechnung bekommen. Auch dies sei eine von Gesetzgeber nicht gewollte Benachteiligung.
Nachdem die Klägerin die Gehaltsbescheinigungen für Januar bis Juli 2006, monatliche betriebswirtschaftliche Auswertungen für den Zeitraum August 2006 bis Juli 2007 sowie den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 20.12.2007 (Bl. 42 ff. Leistungsakte ≪LA≫) vorgelegt hatte, aus dem sich Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 261,00 EUR und Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 19.029,00 EUR ergaben, errechnete de...