Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfüllung der für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte erforderlichen 45-jährigen Wartezeit. Bezug von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nach einem befristeten Arbeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
Eine analoge Anwendung des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB 6, wonach Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind, in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn auf die 45-jährige Wartezeit nur angerechnet werden, wenn der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist, auf Fälle des Arbeitslosengeldbezugs aufgrund des Zeitablaufs eines befristeten Arbeitsverhältnisses (hier: in einer Transfergesellschaft) kommt nicht in Betracht.
Orientierungssatz
1. Zum Begriffsverständnis der vollständigen Geschäftsaufgabe iS des § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB 6 (Anschluss an BSG vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R = SozR 4-2600 § 51 Nr 2 RdNr 28).
2. Der Ausschluss nach § 51 Abs 3a S 1 Nr 3 SGB 6 der Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn von der Anrechenbarkeit auf die 45-jährige Wartezeit sowie die Rückausnahme für die Fälle eines durch Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingten Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung stehen mit der Verfassung in Einklang (Anschluss an BSG vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R = BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 41 bis RdNr 77).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen des Sozialgerichts vom 6. Oktober 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236b SGB VI streitig.
Der 1951 geborene Kläger war bis zum 30.6.2012 bei der Y.... Deutschland X.... GmbH in deren Niederlassung in A.... als Montierer und Stanzer versicherungspflichtig beschäftigt. Diese Niederlassung war vormals die M.... W.... GmbH A.... und ist im Jahr 2011 mit der Y.... Deutschland X.... GmbH verschmolzen worden (Eintragung ins Handelsregister am 26.7.2011). Mit der Verschmelzung ist das Arbeitsverhältnis des Klägers ausweislich einer Mitarbeiterinformation vom 11.8.2011 auf die Y.... Deutschland X.... GmbH übergegangen. Die Niederlassung in A.... ist - beginnend am 31.10.2010 und endend am 31.12.2012 - in sechs Stufen abschließend und vollständig stillgelegt worden, wobei die Produktion ins Ausland (Ungarn) verlagert worden war. Aufgrund der Betriebsschließung ist es zwischen den Betriebsparteien zu einem Interessenausgleich und Sozialplan gekommen, in dessen Rahmen eine Transfergesellschaft (ABS V.... Bau GmbH) mit betriebsorganisatorisch eigenständiger Einheit im Sinne des § 216b SGB III geschaffen worden ist. Das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Y.... Deutschland X.... GmbH endete aus betriebsbedingten Gründen wegen der Betriebsschließung der Niederlassung der Firma Y.... in A..... In Folge des Interessenausgleichs und Sozialplans schloss sich ein Arbeitsverhältnis des Klägers mit der ABS V.... Bau GmbH (Transfergesellschaft) an, welches zeitlich befristet am 1.7.2012 begann und am 31.12.2012 endete (Änderungsvereinbarung zum dreiseitigen Vertrag vom 25.4.2012: der Kläger und der [ehemalige] Arbeitgeber, die Y.... Deutschland X.... GmbH, vereinbarten die Beendigung des bestehenden Arbeitsverhältnisses aus betriebsbedingten Gründen mit Wirkung vom 30.6.2012). In der Zeit vom 1.7.2012 bis 31.12.2012 erhielt der Kläger Transferkurzarbeitergeld.
Seit dem 1.1.2013 war der Kläger arbeitslos. Mit Bewilligungsbescheid der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit A...., vom 16.1.2013 wurde ihm gemäß § 136 SGB III Arbeitslosengeld für den Zeitraum 1.1.2013 bis 30.12.2014 für 740 Kalendertage mit einem täglichen Leistungsbetrag von 23,27 Euro gewährt.
Am 14.7.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 236b SGB VI ab dem 1.8.2014. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.8.2014 ab. Bei einem gewünschten Rentenbeginn am 1.8.2014 sei die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt. Das Versicherungskonto enthalte anstatt der erforderlichen 540 Monate nur 532 Wartezeitmonate.
Den hiergegen am 4.9.2014 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2014 zurück. Sie führte vor allem aus, dass Beitragszeiten wegen des Bezugs von Leistungen der Arbeitsförderung, die neben Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit lägen, in den letzten beiden Jahren vor Rentenbeginn nicht auf die Wartezeit anzurechnen seien, es sei denn, die Arbeitslosigkeit sei durch Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe eingetreten. Hie...