Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Musikerproberaum keine Unterkunft. Kosten des Hobbys als Bestandteil des Regelbedarfs. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein privat genutzter Proberaum für elektronische Musik ist keine Unterkunft.
2. Die mit der Ausübung eines besonderen Hobbys verbundenen Kosten sind nicht über die Kosten der Unterkunft und Heizung zu bestreiten, sondern aus dem dafür vorgesehenen Regelsatzanteil des Regelbedarfs, insbesondere den Verbrauchsausgaben der Abteilung 9 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur) iS von § 5 Abs 1 RBEG.
3. Art 5 Abs 3 S 1 GG begründet keinen Anspruch eines Einzelnen auf die Gewährung bestimmter staatlicher Leistungen (vgl BVerwG vom 16.8.1979 - 7 B 174/78 = NJW 1980, 718 = juris RdNr 2 und BFH vom 7.5.1987 - IV R 125/86 = BFHE 150, 22 = juris RdNr 24).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 13. Dezember 2011 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Verfahrenszügen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen eines Weiterbewilligungsantrages auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Der 1980 geborene Kläger bewohnt gemeinsam mit einer Mitbewohnerin eine zirka 57 m² große 3-Zimmerwohnung in der M S , L , und steht seit Juli 2009 im Leistungsbezug beim Beklagten beziehungsweise dessen Rechtsvorgängerin.
Dem Kläger wurden auf Grund seines Weiterbewilligungsantrages vom 24. November 2009 mit Bewilligungsbescheid vom 30. November 2009 ab 1. Januar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 359,00 EUR für den Regelbedarf sowie anteiliger Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 177,07 EUR bewilligt.
Mit seiner Veränderungsmitteilung vom 19. Januar 2010 beantragte der Kläger ab Januar 2010 zugleich die Übernahme der Kosten für ein gemeinsam mit einem Bandkollegen benutztes 28 m² großes Arbeitszimmer in der L -H -S in L in Höhe von 100,00 EUR monatlich und gab zugleich an, dass die Nutzung des Raumes vorrangig im Rahmen des Nebengewerbes als Musiker, für Musikproduktionen und Instrumentenübungen erfolge. Ab Januar 2010 sei der Mietzins auf 200,00 EUR erhöht worden. Der Mitteilung war der Mietvertrag zwischen den Vermieter und dem Kläger sowie seinem Bandkollegen vom 27. Dezember 2009 beigefügt. Danach beträgt der Mietzins für den "Proberaum für elektronische Musik" 200,00 EUR. Der Proberaum darf nach § 1 des Mietvertrages lediglich in der Zeit ab 18 Uhr werktäglich und samstags, sonn- und feiertags ab 13 Uhr genutzt werden.
Dem Kläger wurden mit Änderungsbescheid vom 4. Februar 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ab März 2010 in Höhe von 359 EUR als Regelsatz sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 166,09 EUR bewilligt.
Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Mietkosten für den Proberaum lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2010 ab. Der Proberaum sei kein Wohnraum. Dem Antrag auf Übernahme dieser Sonderleistungen könne daher nicht entsprochen werden. Zwar könne grundsätzlich ein unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes, welcher nicht gedeckt werde, bei entsprechendem Nachweis gemäß § 23 Abs. 1 SGB II als Sach- oder Geldleistung in Form eines Darlehens gewährt werden. Die beantragte Sonderleistung werde jedoch durch die gewährte Regelleistung abgedeckt und stelle somit keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar.
Hiergegen hat der Kläger am 8. Juni 2010 Klage erhoben und ausgeführt, dass sich die von ihm geltend gemachten Wohnflächenanteile (jeweils die Hälfte von 28 m² für das Arbeitszimmer sowie von 57 m² für die Mietwohnung) eine Unterkunft von zirka 42,5 m² entspräche. Sowohl die auf ihn entfallene Gesamtfläche als auch sein Mietanteil korrespondiere mit den Angemessenheitskriterien für den Raum L. Die beiden geltend gemachten Mietsachen in Einheit stellten somit eine Unterkunft im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Auf Grund der enormen Lautstärke seien ihm Proben in der M S nicht möglich.
Zugleich hat der Kläger einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt, welcher mit Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 21. Juni 2010 (Az. S 15 AS 2125/10 ER) abgelehnt worden ist. Die hiergegen eingelegte Beschwerde (Az. L 2 AS 421/10 B ER) hat das Sächsische Landessozialgericht mit Beschluss vom 11. August 2010 zurückgewiesen. Der Wohnbedarf des Antragstellers sei mit der zu zweit genutzten 3-Zimmerwohnung von 57 m² gedeckt. Der Proberaum stelle keine Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar. Er diene der Ausübung von Musik und werde nicht zu Wohnzwecken benutzt.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 13. Dezember 2011 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen ...