Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Feststellungsklage. Schadensersatz aufgrund der verspäteten Abgabe einer Drittschuldnererklärung nach § 840 Abs 2 ZPO durch das Jobcenter. Rechtsanwaltsgebühren für die vorgerichtliche Zahlungsaufforderung. Pfändbarkeit von Leistungen nach dem SGB 2. Subsidiarität. Verschulden. Prozesskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach Abgabe der Drittschuldnererklärung geänderte Klage auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die verspätete Drittschuldnererklärung entstanden ist, ist statthaft. Die Klage ist in dem Umfang begründet, in dem die Klägerin den Schaden geltend macht, der ihr durch die Erhebung einer unbegründeten Leistungsklage entstanden ist. Hiervon sind jedenfalls die Gerichtskosten und die der Klage vorausgehend notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten umfasst. Es besteht kein Anspruch auf Schadenersatz aufgrund unterlassener Pfändungen bei Dritten und für vorgerichtlich aufgewandte Mahnkosten, die sich auf eine nochmalige Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung beziehen (Anschluss an LSG Chemnitz vom 21.7.2015 - L 5 R 896/13 = JurBüro 2016, 44).
2. Die für eine nach verspäteter Abgabe der Drittschuldnererklärung erfolgte Zahlungsaufforderung des Drittschuldners durch den mit der Beitreibung der Forderung beauftragten Rechtsanwalt entstandenen Gebühren sind jedoch von der in § 840 Abs 2 ZPO normierten Schadenersatzpflicht umfasst (Anschluss an OLG Dresden vom 1.12.2010 - 1 U 475/10 = JurBüro 2011, 156; AG Bremen vom 7.2.2012 - 18 C 262/11).
3. Der Schadenersatzanspruch des § 840 Abs 2 ZPO wird nicht wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen, denn Leistungen nach dem SGB II sind pfändbar.
Normenkette
ZPO § 840 Abs. 2 S. 2, § 850c; SGB I § 54 Abs. 3-4; SGB XII § 17 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 242, 249, 823 Abs. 2; SGG § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 78
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts L... vom 13. August 2015 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die durch ihre ursprüngliche Klage auf Zahlung von 318,50 € nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz notwendig entstandenen Prozesskosten zu erstatten.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 83,54 € nebst 5 % Zinsen über dem Basissatz seit dem 24.08.2013 zu zahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
IV. Der Beklagte trägt von den nicht unter I. genannten Kosten des Rechtsstreits 23 Prozent, die Klägerin 77 Prozent.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist nach einer Klageänderung die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 83,54 € sowie die Feststellung, dass der Beklagte und Berufungsbeklagte (Beklagter) der Klägerin und Berufungsklägerin (Klägerin) noch weitere Schäden wegen der verspäteten Abgabe einer Drittschuldnererklärung zu ersetzen hat.
Die Klägerin ist ein Bankinstitut mit Sitz in L... Sie hat Forderungen in Höhe von 1.146,32 € gegen K... (K.) in L... Der Beklagte ist Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Klägerin ging davon aus, dass K... Grundsicherungsleistungen vom Beklagten bezieht. Sie ließ dem Beklagten am 11.06.2013 durch den Gerichtsvollzieher den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 05.06.2013, der sich auf gegen K... gerichtete Forderungen stützte, zustellen.
Nachdem der Beklagte seiner Verpflichtung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung nicht nachkam, haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Beklagten zunächst mit Anwaltsschreiben vom 08.08.2013 außergerichtlich dazu aufgefordert, die gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen Beträge in Höhe von insgesamt 302,04 € umgehend zu zahlen. Am 05.09.2013 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht L... SG erhoben und zunächst die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 318,50 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.08.2013 sowie zur Zahlung von weiteren 83,54 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.08.2013. begehrt. Nachdem der Beklagte keine Drittschuldnererklärung abgegeben habe, dürfe sie davon ausgehen, dass die gesamte Forderung zur Recht geltend gemacht und in voller Höhe auch erhoben werden könne. Sie gehe von einem monatlichen pfändbaren Betrag des Einkommens von 100,00 € aus. Für die Monate Juni, Juli und August 2013 ergebe dies die Klagesumme von 300,00 €. Hinzu kämen die Kosten für den Gerichtsvollzieher in Höhe von 18,50 €, insgesamt somit 318,50 €. Bei der geltend gemachten Forderung in Höhe von 83,54 € handele es sich um die Anwaltskosten für das Schreiben vom 08.08.2013.
Mit der Klageerwiderung hat der Beklagte mitgeteilt, der Hauptschuldner K... stehe bereits seit 2007 nicht mehr in seinem Leistungsbezug. Ihm sei ein Aufforderungsschreiben nicht bekannt.
Daraufhin hat die Klägerin den Klageantrag zu 1. abgeändert und die Feststellung begehrt, dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die verspätete Drittschuldnerer...