Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und zeitgleicher Bezug von Arbeitslosengeld. nachträgliche Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Erstattungsansprüche der Sozialleistungsträger. Rückforderung der überzahlten teilweisen Erwerbsminderungsrente vom Versicherten

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, wie und in welchem Umfang gegenüber einem Leistungsbezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung diese bei einer späteren, zeitraumgleichen Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufzuheben und zu erstatten ist, wenn der Rentenversicherungsträger aus dem Nachzahlungsbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung vor Auskehrung an den Versicherten Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger (Arbeitslosengeld, Krankengeld) im Wege der Erstattung ausgleicht, ist anhand und auf der Grundlage des konkreten Einzelfalles zu bewerten.

 

Orientierungssatz

1. Zur Frage, in welchem Umfang ein Leistungsbezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aus einer späteren Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung iS von § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 "Einkommen erzielt", wenn der Rentenversicherungsträger aus dem Nachzahlungsbetrag der Rente wegen voller Erwerbsminderung vor Auskehrung an den Versicherten Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger ausgleicht.

2. Ein im Vergleich zum Normalfall des § 48 Abs 1 S 2 SGB 10 iVm § 50 SGB 10 zusätzlicher Schaden ist zu bejahen, wenn der Betroffene (höhere) Sozialhilfeansprüche zur Sicherung seines aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG folgenden Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, welche ihm zugestanden hätten, wenn die zurückgeforderten Sozialleistungen nicht zugeflossen wären, rückwirkend nicht mehr geltend machen kann. Er hätte dann im Ergebnis wegen der Pflicht zur Rückzahlung aus seinem gegenwärtigen Einkommen und Vermögen solche Leistungen zu ersetzen, auf die er in der Vergangenheit einen Anspruch gehabt hätte.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 23. März 2016 und der Erstattungsbescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2012 in der Fassung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 16. Oktober 2012 in der Fassung des Erstattungsbescheides vom 15. November 2012 in der Fassung der Korrekturmitteilung vom 27. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2013 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die rückwirkende vollständige Aufhebung der Bewilligung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) ab 1. September 2011 sowie über die Erstattung der Überzahlung im Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 in Höhe von 3.317,80 Euro.

Der Kläger bezog aufgrund Rehabilitationsantrages vom 9. September 2010 und Rentenbescheides vom 12. April 2011 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) ab 1. September 2010. Der monatliche Rentenzahlbetrag betrug ab 1. Juni 2011 408,34 Euro sowie ab 1. Juli 2011 412,40 Euro. Die Beklagte lehnte gleichzeitig die begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch sowie Klage zum Sozialgericht Dresden (Verfahren S 24 KN 1257/11). Bis 18. August 2011 bezog der Kläger Krankengeld von der Krankenkasse und ab 19. August 2011 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 31,43 Euro täglich (= 942,90 Euro monatlich). Wegen Anrechnung des bezogenen Arbeitslosengeldes änderte die Beklagte den Rentenbescheid vom 12. April 2011 mit Rentenbescheid vom 26. Oktober 2011 ab und gewährte wegen des anzurechnenden Hinzuverdienstes die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) ab 1. November 2011 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 206,20 Euro sowie ab 1. Juli 2012 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 210,85 Euro.

Nachdem sich im vorangegangenen sozialgerichtlichen Verfahren (S 24 KN 1257/11) die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 2011 im Rahmen eines sozialgerichtlichen Vergleiches bereit erklärt hatte, forderte sie mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 zunächst die Erstattung der bezogenen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (bei Berufsunfähigkeit) vom 1. September 2011 bis 31. Oktober 2012 in voller Höhe von 3.317,80 Euro zurück. Mit Rentenbescheid vom 16. Oktober 2012 gewährte sie anstelle der bisherigen Rente eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1. September 2011; ab 1. Dezember 2012 in Höhe eines monatlichen Zahlbetrages von 843,91 Euro. Die Nachzahlung für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis 30. November 2012 in Höhe von 12.472,25 Euro behielt sie vorläufig ein. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 16. Oktober 2012 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 12. April 2011 in der Gestalt der Folgebescheide mit Wirkung a...

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