Verfahrensgang
SG Leipzig (Urteil vom 19.04.1999; Aktenzeichen S 5 RA 422/96) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 19. April 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die beklagte Bundesrepublik Deutschland berechtigt war, dem Kläger das Recht auf Entschädigungsrente mit Wirkung ab März 1997 abzuerkennen.
Der am … geborene Kläger war von Oktober 1944 bis Mai 1945 im Zwangsarbeiterlager … (… – …) als rassisch Verfolgter (Jude) inhaftiert. In der Zeit vom 01.01.1954 bis 31.08.1981 gehörte er dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen DDR an, zuletzt als Leiter der Kreisdienststelle Geithain im Rang eines Oberstleutnants. Dabei war er von 1954 bis 1957 als operativer Mitarbeiter, von 1960 bis 1961 als stellvertretender Leiter der Kreisdienststelle und ab 01.01.1961 durchgehend als Leiter der Kreisdienststelle tätig.
Der Kläger erhielt eine Ehrenpension nach der Anordnung über Ehrenpensionen für Kämpfer gegen den Faschismus und für Verfolgte des Faschismus sowie für deren Hinterbliebene vom 20.09.1976 (unveröffentlicht, Aichberger II Nr. 127) und ab 01.05.1992 eine Entschädigungsrente in Höhe von monatlich 1.400,00 DM nach dem Gesetz über Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet vom 22.04.1992 (EntschRG, BGBl. I S. 906), die von der Beigeladenen zu 2. ausgezahlt wurde. Ferner bezog er nach seinem Ausscheiden beim MfS eine Altersrente auf der Grundlage der Versorgungsordnung des MfS.
Nach Beiziehung des Einzelberichts zum Schreiben des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR an die Kommission der Bundesrepublik Deutschland zum Versorgungsruhens- und Entschädigungsrentengesetz (Beigeladene zu 1.) schlug diese der Beklagten nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 21.03.1996 vor, ihm die laufende Entschädigungsrente vorläufig abzuerkennen. Die Beklagte erkannte daraufhin dem Kläger die Entschädigungsrente mit Bescheid vom 15.05.1996 gemäß § 5 Abs. 1 und 3 EntschRG in Verbindung mit § 4 Abs. 4 Versorgungsruhensgesetz (VRG) mit sofortiger Wirkung vorläufig ab. Während der etwa 20-jährigen Tätigkeit als Leiter der Kreisdienststelle G....... habe er gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen. Die genannten Richtlinien und Dienstanweisungen seien die Grundlage für rechtsstaatswidrige Eingriffe, insbesondere in das Recht auf Freiheit, die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, die Meinungsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie in das Recht auf Freizügigkeit. Das anzulastende Verhalten bestehe darin, dass der Kläger nach dem im MfS herrschenden Einzelleitungsprinzip die Verantwortung für die Umsetzung der genannten Richtlinien und Dienstanweisungen in seinem Zuständigkeitsbereich getragen habe. Des weiteren Nachweises eines vorwerfbaren Verhaltens gegenüber Einzelnen bedürfe es nicht, da allgemein kundig sei, dass die im MfS erlassenen Regelungen umgesetzt worden seien. Das anzulastende Verhalten sei vorwerfbar, da dem Kläger der Unrechtsgehalt hätte bewusst sein müssen. Nach rechtsstaatlichen Bewertungsmaßstäben müssten alle Regelungen selbst rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen, weil die Menschenrechte in ihrem Wesensgehalt weder beseitigt noch beschränkt werden können. Angesichts des besonderen Unrechtsgehaltes und des erheblichen Umfanges der zuzurechnenden Verstöße gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechts-Staatlichkeit sei die Entschädigungsrente in vollem Umfange abzuerkennen. Eine Grundlage dafür, die Entschädigungsrente lediglich zu kürzen, sei nicht gegeben. Entsprechend der Empfehlung der Beigeladenen zu 1. erfolge die Aberkennung zunächst nur vorläufig.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 13.06.1996 beim Sozialgericht (SG) Leipzig Klage erhoben und gleichzeitig die Aussetzung des Vollzugs des angefochtenen Bescheides begehrt. Zum 30.06.1996 stellte die Beigeladene zu 2. die Zahlung der Leistung ein.
Mit Beschluss vom 16.12.1996 schlug die Beigeladene zu 1. der Beklagten vor, die Entschädigungsrente endgültig abzuerkennen.
Das SG hat mit Beschluss vom 07.02.1997 den Vollzug des Bescheides vom 15.05.1996 rückwirkend bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt.
Mit Bescheid vom 26.02.1997 erkannte die Beklagte das Recht des Klägers auf Entschädigungsrente endgültig ab. Nach dem Ermittlungsergebnis stehe fest, dass er gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit verstoßen habe. Im Rahmen der nach § 5 Abs. 1 EntschRG tatbestandlich erforderlichen Abwägung sei zu seinen Lasten festzuhalten, dass er mit seinen Anweisungen Verletzungen von Individualrechtsgütern in einer Vielzahl von Fällen nicht nur formal legitimiert, sondern zum Maßstab effizienten und zu pr...