Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung bei Fehlen der Erforderlichkeit iS des § 39 Abs 1 S 2 SGB 5. Umgehung des Abgabeverbots nach § 14 Abs 7 ApoG sowie der Arzneimittelpreisbindung und der Rabattverträge

 

Leitsatz (amtlich)

Wurde ein Versicherter in einem Krankenhaus stationär behandelt, obwohl dies nicht im Sinne des § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich war, weil eine ambulante Krankenbehandlung ausgereicht hätte, steht dem Krankenhausträger weder ein Vergütungsanspruch nach dem DRG-Fallpauschalensystem noch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch zu; dies gilt auch dann, wenn die ambulante Behandlung für die Krankenkasse höhere Kosten als die stationäre Krankenhausbehandlung verursacht hätte.

 

Orientierungssatz

Ein Krankenhaus darf einen Versicherten, bei dem aus medizinischer Sicht eine ambulante Behandlung zur Erreichung der angestrebten Behandlungsziele ausreicht, nicht nur deshalb voll- oder teilstationär aufnehmen und behandeln, um das mit § 14 Abs 7 ApoG verbundene Abgabeverbot und die Arzneimittelpreisbindung sowie ggf Rabattverträge nach § 129 Abs 5 S 3 SGB 5 in der bis 12.5.2017 geltenden Fassung bzw nunmehr nach § 130a Abs 8a SGB 5 in der ab 13.5.2017 geltenden Fassung zu umgehen (zur Umgehung von Rabattverträgen und zur prinzipiellen Exklusivität der Lieferbeziehungen als essenzielle Voraussetzung solcher Rabattverträge vgl BSG vom 25.11.2015 - B 3 KR 16/15 R = BSGE 120, 122 = SozR 4-2500 § 129 Nr 11 RdNr 23).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.03.2018; Aktenzeichen B 1 KR 45/17 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 1. September 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.907,92 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer im Krankenhaus der Klägerin im Jahr 2015 durchgeführten vollstationären Krankenhausbehandlung.

Bei der am 1957 geborenen und bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherten Z.... (nachfolgend: Versicherte) wurde im Januar 2013 ein Bronchialkarzinom rechts (Adenotypus, Stadium IV) mit Pleuritis carcinomatosa und malignem Pleuraerguss sowie Verdacht auf Nebennierenmetastasen diagnostiziert, das in dem gemäß § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhaus der Klägerin behandelt wurde. Am 9. Januar 2013 wurde aufgrund des Pleuraergusses eine Talkumpleurodese durchgeführt. Ferner erhielt die Versicherte vom 14. Februar 2013 bis 19. April 2013 vier Zyklen einer palliativen (Erstlinien-) Induktionstherapie mittels Cisplatin und Pemetrexed (Handelsname: Alimta®), die komplikationslos und nebenwirkungsfrei verabreicht wurden. Im Zeitraum vom 16. Mai 2013 bis 18. Dezember 2014 erhielt die Versicherte 27 Zyklen einer (Zweitlinien-) Erhaltungstherapie, bei der einzig Pemetrexed zum Einsatz kam; auch dabei zeigten sich keine Komplikationen.

Am 14. Januar 2015 verordnete die Hausärztin der Versicherten Dipl.-Med. Y.... eine weitere Krankenhausbehandlung aufgrund der Tumorerkrankung. Die Versicherte wurde daraufhin im Zeitraum vom 14. Januar 2015 bis 15. Januar 2015 zwecks Durchführung des 28. Zyklus der Erhaltungstherapie vollstationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt. Nach Aufnahme wurden eine ärztliche Anamnese und Untersuchung durchgeführt, ferner zwecks eines Re-Stagings eine Röntgenaufnahme (Thorax, rechtsseitig anliegend, zwei Ebenen) und eine Computertomografie (Oberbauch und Thorax), ein EKG, ein Lungenfunktionstest, eine Blutgasanalyse und eine Blutentnahme zur Laboruntersuchung. Im ärztlichen Untersuchungsbogen war vermerkt, dass die Versicherte in mäßigem Allgemeinzustand und mit “etwas mehr„ Atemnot bei Belastung als sonst erschienen sei. Die Aufnahme sei aufgrund einer Erkältung mit leicht erhöhten Temperaturen zum geplanten Aufnahmetermin um sieben Tage verschoben worden. Die Versicherte habe angegeben, sich “jetzt wieder gut„ zu fühlen. Bei ansonsten unauffälligen Befunden hätten sich “wenig„ Unterschenkelödeme beidseits sowie ein “rechts dorsobasal etwas gedämpftes„ Atemgeräusch gezeigt. Die Versicherte erhielt sodann 1.000 mg Pemetrexed in Form einer parenteralen Zubereitung (zehnminütige Infusion) sowie als Begleitmedikation u.a. Dexamethason (hier: Fortecortin®), außerdem am Folgetag eine Infusion mit 6 mg Pegfilgrastim (Handelsname: Neulasta®). Im Pendelbogen für den Hausarzt waren als Nebendiagnosen eine COPD (Stadium II), eine arterielle Hypertonie, ein Diabetes mellitus Typ II, eine Psoriasis, ein Verdacht auf chemotherapiebedingte Fingernägelveränderungen und eine afebrile Neutropänie (seit dem 20. Zyklus der Erhaltungstherapie) angegeben; die Chemotherapie sei wiederum komplikationslos und ohne Infektzeichen verabreicht worden. Das Re-Staging habe einen stabilen Zustand der Tumorerkrankung (“stable disease„) ergeben.

Die Klägerin stellte der Beklagten ...

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