Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietschulden eines Inhaftierten. Sozialhilfe. Antrag auf Zulassung der Berufung
Leitsatz (amtlich)
Hilfe für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten nach § 72 BSHG umfaßt jedenfalls nur die Mietzinszahlungen für Wohnungen von Inhaftierten, die im Hinblick auf Größe und Entgelt sozialhilferechtlich angemessen sind.
Gemäß § 15 a BSHG kann die Übernahme von Mietzinszahlungen im Darlehenswege allenfalls solange verlangt werden, wie hierdurch zum Erhalt der Wohnung beigetragen werden kann.
Normenkette
BSHG § 72 Abs. 2, § 15a
Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 04.11.1997; Aktenzeichen 6 K 1225/97) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4. November 1997 – 6 K 1225/97 – wird abgelehnt.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Gründe
Der nach § 124 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund des ernstlichen Zweifels an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Senates (SächsOVG, Beschl. v. 28.11.1997 – 2 S 641/97 –) dann vor, wenn ein Erfolg des Rechtsmittelführers im Rechtsmittelverfahren wahrscheinlicher ist als sein Unterliegen (ebenso SächsOVG, Beschl. v. 17.3.1997 – 1 S 106/97 –, Beschl. v. 4.4.1997 – 1 S 149/97 –, Beschl. v. 22.4.1997 – 1 S 200/97 –; HessVGH, Beschl. v. 4.4.1997, ESVGH 47, 190). Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Der Kläger macht geltend, die Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, daß er deshalb keinen Anspruch auf die darlehensweise Übernahme der Unterkunftskosten habe, weil die Haftstrafe relativ lang und der angemietete Wohnraum unangemessen teuer sei, sei unzutreffend. Unabhängig davon, ob die angegriffene Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts sich als überwiegend unzutreffend darstellt, scheidet ein Erfolg des Zulassungsantrages aus, weil die erstinstanzliche Entscheidung sich aus anderen Gründen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als richtig erweist. Auf die Unrichtigkeit im Ergebnis kommt es aber im Hinblick auf den Zulassungsantrag nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entscheidend an. Denn nach dem Gesetzeswortlaut sind maßgeblich die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, nicht an der Richtigkeit ihrer Begründung. Bei dieser Auslegung der Norm wird vom Sinn des Zulassungsverfahrens ausgegangen. Dieses soll zu einer beschleunigten Herbeiführung einer Rechtssicherheit schaffenden Entscheidung führen. Hierfür ist nicht von Bedeutung, ob die vom Ausgangsgericht gewählte Begründung tragfähig ist, sondern daß das Rechtsmittelgericht das Entscheidungsergebnis für zutreffend hält (ebenso: OVG Berlin, Beschl. v. 19.8.1997, NVwZ 1998, 197; OVG NW, Beschl. v. 9.7.1997, NVwZ 1998, S. 193; a.A. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 22.10.1997, NVwZ 1998, S. 196).
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4.11.1997 ist im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zutreffend. Die Darlegungen des Klägers ergeben weder nach § 72 BSHG noch nach § 15 a BSHG einen Anspruch des Klägers auf Übernahme der Miete, die der Kläger während der Zeit seiner Inhaftierung für die Wohnung … in …, die er zwischenzeitlich geräumt hat, seinem Vermieter schuldig geblieben ist.
Soweit der Kläger als Anspruchsgrundlage für diesen Anspruch § 72 SBHG i.V.m. § 1 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des § 72 BSHG in Anspruch nimmt, scheitert ein Anspruch daran, daß die vom Kläger angestrebte Hilfe nicht notwendig im Sinne von § 72 Abs. 2 BSHG ist. Nach § 72 Abs. 1 BSHG ist Personen, bei denen besondere soziale Schwierigkeiten der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft entgegenstehen, Hilfe zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu gewähren. Die danach zu leistende Hilfe umfaßt ergänzend zu den Maßnahmen aus Anlaß der sozialen Schwierigkeiten auch Maßnahmen bei der Beschaffung und Erhaltung einer Wohnung. Ziel der Hilfe ist es, dem Einzelnen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Zur Grundvoraussetzung eines normalen Lebens gehört die Sicherstellung von ausreichendem Wohnraum. Bei dieser Zielsetzung des § 72 BSHG kann der Kläger Maßnahmen zur Erhaltung des von ihm angemieteten Wohnraums während der Zeit seiner Haft nicht mit Erfolg verlangen. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung folgt ein Anspruch auf Maßnahmen nach § 72 BSHG nicht bereits aus dem Umstand, daß der Kläger in Strafhaft einsaß. Wie der Wortlaut der in § 1 Abs. 2 der Verordnung zu § 72 BSHG erfolgten exemplarischen Darstellung der von § 72 BSHG betroffenen Personen zeigt („besondere Lebensverhältnisse können vor allem bestehen bei …”), ist auch bei den dort genannten Personen nicht von vornherein von besonderen, zu sozialen Schwierigkeiten führenden Lebensverhältnissen auszugehen. Warum der Kläger, der vor seiner Inhaftierung sowie dan...