Rz. 3
Das Dritte Kapitel enthält die Regelungen über die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie zu Anreizen und Sanktionen. Darüber hinaus werden Rückgriffsmöglichkeiten und Ersatzansprüche der Jobcenter umfassend geregelt. Es ist das umfangreichste Kapitel des SGB II. Das Leistungsspektrum wird in die beiden Kernleistungsbereiche Leistungen zur Eingliederung in Arbeit und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufgeteilt. Aktuelle und frühere Vorschriften aus dem Versicherungsrecht der Arbeitslosenversicherung und der Sozialhilfe werden gebündelt, Regelungen zur früheren Arbeitslosenhilfe spielen praktisch keine Rolle. Seit dem Inkrafttreten des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes im Wesentlichen zum 1.1.2011 und 1.4.2011 ist das Dritte Kapitel zwar nicht umgestaltet, aber doch in Teilen neu gefasst und mit zusätzlichen Regelungen versehen worden.
Durch das Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sind einige Regelungsbereiche stark verändert worden, die durch das Gesetz beabsichtigte Rechtsvereinfachung ist allerdings jedenfalls im Dritten Kapitel des SGB II nicht gelungen. Am 1.1.2019 sind Neuregelungen durch das Teilhabechancengesetz und das Qualifizierungschancengesetz in Kraft getreten. Insbesondere sind Regelungen zur Förderung von langzeitarbeitslosen Personen in Kraft getreten.
Am 1.1.2021 sind wichtige leistungsrechtliche Änderungen in Bezug auf Mehrbedarfe in Kraft getreten (vgl. Regelbedarfsermittlungsgesetz 2021 u. a. v. 9.12.2020, BGBl. I S. 2855).
Ab 2023 wird das Kapitel durch die Bürgergeld-Gesetzgebung bestimmt. Hervorzuheben sind die Qualifizierungsoffensive der Bundesregierung, die rechtlich unterlegt wird, naturgemäß mit Schwerpunkt über die berufliche Weiterbildung, neuen Leistungen, erweiterten Freistellungen im Leistungsprozess durch Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen sowie Karenzzeiten. Schließlich werden die Leistungsminderungen im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG v. 5.11.2019 und einer Übergangsverwaltung mit Sanktionsmoratorium neu geregelt.
Rz. 4
Im Vordergrund des Kapitels stehen von der Rangfolge her die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Dieser systematische Ansatz des Gesetzgebers täuscht über die Realitäten am Arbeitsmarkt hinweg. Eingliederung setzt vor allem ein ausreichendes Angebot an Arbeitsplätzen voraus, das schon für die Versicherten der Arbeitslosenversicherung seit Jahrzehnten ungeachtet des seit Jahren anhaltenden Rückgangs der Arbeitslosigkeit auf zwischenzeitlich weniger als 3 Mio. im Jahresdurchschnitt (bei immer noch leicht sinkender Tendenz) nicht vorhanden ist. Der verbreitete Fachkräftemangel kann aus dem Potenzial der Bürgergeldempfänger kaum ausreichend bedient werden. Mehr als nur tendenziell haben die erwerbsfähigen Berechtigten nach dem SGB II am Arbeitsmarkt geringere Chancen als die Empfänger von Arbeitslosengeld (Alg) nach dem SGB III. Das betrifft einerseits die Dauer der Arbeitslosigkeit bei dem Personenkreis, der nach Auslaufen der Versicherungsleistung Alg in den Berechtigtenkreis nach dem SGB II gelangt; bei diesem Personenkreis sind Eingliederungsbemühungen während des gesamten Verlaufs des Bezugs von Alg erfolglos geblieben. Die Ursachen dafür sind vielfältige Vermittlungshemmnisse, die mit Leistungen nach dem SGB II nicht von vornherein besser ausgeglichen oder beseitigt werden können. Ein weiterer Personenkreis betrifft die früheren Sozialhilfeempfänger, bei denen es bislang nicht gelungen ist, sie in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung einzugliedern, die für einen Anspruch auf Versicherungsleistungen nach dem SGB III genügt hätte. Bei diesen Erwerbsfähigen liegen häufig multiple Problemlagen vor, denen in der Grundsicherung durch Fallmanagement und neuartige Eingliederungsleistungen begegnet werden soll. Die Eingliederungsleistungen vereinen erstmals umfassend Leistungen zur Herstellung und Optimierung der Erwerbs- und Eingliederungsfähigkeit. Frühere Sozialhilfeempfänger hatten gerade diesen umfassenden Zugang zu Leistungen nach dem SGB III nicht, er war dem Versichertenkreis vorbehalten. Jedenfalls ist nicht zu widerlegen, dass in einem Umfang von mehreren hunderttausend Personen Leistungen zum Lebensunterhalt der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit dem 1.1.2005 ohne Unterbrechung durchgehend bezogen worden sind. Dabei ist die Anzahl von Jahren vorgehenden ununterbrochenen Bezugs von Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe nicht berücksichtigt.
Bei näherer Betrachtung der Arbeitslosigkeit ist zudem auffällig, dass der Personenkreis der Langzeitarbeitslosen von dem Rückgang insgesamt nur begrenzt profitiert hat. Der Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit ist deutlich ins Stocken geraten. Hinzu kommt, dass sich der "Bodensatz" praktisch nicht eingliederungsfähiger leistungsberechtigter Personen stetig vergrößert. Seit dem 1.1.2019 wird verstärkt versucht, durch die Förderung langzeitarbeitsloser und arb...