Rz. 3
Das Einstiegsgeld ist schon früher im Rahmen der Sozialhilfe praktiziert worden. Das Einstiegsgeld ist im Grundsatz 3. Einkommenskomponente neben dem Lohn aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bzw. dem Gewinn aus selbständiger Tätigkeit und dem Bürgergeld. Es ist nicht auf den Niedriglohnsektor ausgerichtet, kennzeichnet aber häufig, wenn auch nicht zwingend, eine Einkommenssituation, bei der trotz aufgenommener Erwerbstätigkeit Hilfebedürftigkeit nicht entfallen ist. Ein Einstiegsgeld kommt auch in Betracht, wenn die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft aufgrund der Höhe des Einkommens entfällt. Zumindest mittelfristig ist das gerade auch das Ziel des Einstiegsgeldes und in schwächerer Ausprägung Leistungsvoraussetzung, denn das Einstiegsgeld kann zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit erbracht werden (Abs. 1 Satz 1).
Rz. 4
Ausgangspunkt für das Einstiegsgeld ist die Überlegung, dass Erwerbseinkommen auf die Leistungen zum Lebensunterhalt anzurechnen sind, um deren Nachrang und Bedarfsabhängigkeit herauszustellen. Dadurch wird die Motivation zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit negativ beeinflusst. Selbst die Einführung bzw. Ausweitung von Freibetragsregelungen hat an dieser Situation prinzipiell nichts geändert. Gerade in größeren Bedarfsgemeinschaften führt das allein nicht zu einer nennenswerten Steigerung der Lebensqualität. Deshalb können die Freibeträge allein keinen entscheidenden Anreiz setzen, zugunsten verbesserter Lebensverhältnisse eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. In der gesetzlich formulierten Zielrichtung einer Überwindung der Hilfebedürftigkeit kommt daher richtig zum Ausdruck, dass mit dem Einstiegsgeld ein finanzieller Anreiz gesetzt werden soll, in schwierigen Fällen Hilfebedürftigkeit zu beseitigen. Jedenfalls kann auch verhindert werden, dass durch Aufnahme oder Fortsetzung einer Erwerbstätigkeit das verfügbare Einkommen der Bedarfsgemeinschaft sinkt.
Rz. 5
Evaluationen aus der Zeit vor Inkrafttreten des SGB II belegen, dass sich mit dem Instrument insbesondere mit zunehmendem Qualifikationsniveau der Erwerbstätigen Integrationserfolge erzielen lassen. Tendenziell zeigen sich bei Frauen, Alleinerziehenden, Teilzeitbeschäftigten größere oder nachhaltigere Erfolge. Dasselbe gilt für sozialversicherungspflichtige gegenüber geringfügigen Beschäftigungen und für Fertigungsberufe gegenüber dem Dienstleistungsbereich. Tendenziell konnten durch den Einsatz des Einstiegsgelds Einsparungen erzielt werden. Einstiegsgeld und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit müssen in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 11.5.2017, L 5 AS 685/13).
Rz. 6
Das Einstiegsgeld ist eine Ermessensleistung, die von den Jobcentern und den zugelassenen kommunalen Trägern erbracht werden kann. Ein Rechtsanspruch besteht nur auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Das schließt eine gleichmäßige Bewirtschaftung der Haushaltsmittel ein, sodass Einstiegsgelder auch noch im vierten Quartal eines Kalenderjahres bewilligt werden können. Als Zuschuss zu einer kurz befristeten Beschäftigung kommt das Einstiegsgeld nach seiner Zielsetzung nicht in Betracht. Aufstocker, die neben dem Bezug der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld (Alg) auch nach dem SGB II leistungsberechtigt sind, haben Anspruch auf den Gründungszuschuss nach dem SGB III. Das Einstiegsgeld kann nicht neben dem Gründungszuschuss gezahlt werden, dem steht die Zweckidentität entgegen. Aufstocker sind daher auf den Gründungszuschuss zu verweisen. Eine gesonderte Entscheidung ist nur zu treffen, wenn der Aufstocker die Voraussetzungen für einen Anspruch auf den Gründungszuschuss nicht erfüllt, dann kann es zu einer gleichzeitigen Zahlung von Gründungszuschuss und Einstiegsgeld nicht kommen. Ab dem 1.1.2017 werden die Alg-Aufstocker durch die Agenturen für Arbeit vermittlerisch betreut (vgl. § 5 Abs. 4). Daher ist diesem Personenkreis ab dem 1.1.2017 das Einstiegsgeld nach § 16b verschlossen.
Rz. 7
Das Einstiegsgeld ist an eine selbständige Tätigkeit oder sozialversicherungspflichtige Beschäftigung geknüpft (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 2.11.2011, L 5 AS 309/11 B ER). Eine selbständige Tätigkeit ist eine Erwerbstätigkeit auf eigenes finanzielles und soziales Risiko. Die Rechtsprechung hat als wesentliche Merkmale die im Wesentlichen frei gestaltbare Tätigkeit sowie die freie Bestimmung von Arbeitszeit und Arbeitsort herausgearbeitet. Ob eine selbständige Tätigkeit vorliegt, ist nach den Umständen im Einzelfall zu entscheiden. Weisungsgebundenheit gegenüber dem Auftraggeber in zeitlicher, fachlicher und örtlicher Hinsicht, die Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers, die Einbeziehung in den betrieblichen Ablauf, fehlende Unternehmerinitiative und fehlendes Unternehmerrisiko, ein festes Entgelt, Anspruch auf Urlaub oder Entgeltfortzahlung, fehlende Möglichkeit der Aufgabenübertragung, fremdbestimmter Arbeitsumfang sind Merkmale, die eher gegen eine selbständige Tätigkeit sprechen....