Rz. 2
§ 34 regelt die Konsequenzen von für die Leistungspflicht des Jobcenters kausalem sozialwidrigem Verhalten in Form eines eigenständigen öffentlich-rechtlichen Ersatzanspruchs. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende wird aus Steuermitteln finanziert. Den Ersatzpflichtigen kann kein versicherungswidriges Handeln vorgeworfen werden, weil sie keine Versicherungsleistungen (insbesondere das Arbeitslosengeld [Alg]) erhalten. Bei Aufstockern, die Bürgergeld nur aufstockend zum Alg beziehen, kann die Ersatzpflicht bezogen auf die Leistungen nach dem SGB II eintreten, das Arbeitsförderungsrecht enthält keine vergleichbare Regelung für das Alg. Zutreffend ist daher der jedenfalls für den Bereich der Sozialhilfe von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz sozialwidrigen Verhaltens. Ein solches Verhalten liegt nach der Rechtsprechung des BVerwG vor, wenn ein Tun oder Unterlassen aus Sicht der die Mittel aufbringenden Solidargemeinschaft zu missbilligen ist. Die im SGB II enthaltenen Wertmaßstäbe sind einzubeziehen. Nach Sinn und Zweck der Charakterisierung kommt es nicht darauf an, ob unter Solidargemeinschaft die für die klassische Sozialversicherung bestehende Versichertengemeinschaft zu sehen ist oder die Gemeinschaft der Steuerpflichtigen oder eine andere Gemeinschaft. Es kommt allein darauf an, dass Mittel aufgewendet werden müssen, obwohl der zugrunde liegende Sachverhalt manipuliert worden ist (quasi-deliktischer Charakter), wenn auch nicht unbedingt durch rechtswidrige Handlungen. Insofern trägt die Ersatzpflicht dazu bei, dass dem Nachrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende Geltung verschafft wird; denn Grundsicherungsleistungen sind zunächst ungeachtet des Verschuldens von Hilfebedürftigkeit bzw. deren Ursache zu erbringen, um das Existenzminimum des Leistungsberechtigten zu sichern. Ein Anspruch nach § 34 ist ein Erstattungsanspruch, der voraussetzt, dass Leistungen gewährt worden sind. Die Regelung darf nicht dazu genutzt werden, einen Anspruch auf Leistungen zu verneinen (Hess. LSG, Beschluss v. 3.6.2013, L 9 AS 219/13 B ER). Das trifft auch auf den Fall zu, in dem Vermögen verschoben wurde, um Bürgergeld zu erhalten (vgl. SG Karlsruhe, Beschluss v. 7.11.2019, 1874/19 ER). Die Regelung enthält keine Befugnis dazu, einen Ersatzanspruch (zunächst) nur durch Feststellungsbescheid dem Grunde nach geltend zu machen (SG Augsburg, Urteil v. 20.11.2017, S 8 AS 1085/17). So sehen es die Weisungen für die Jobcenter der gemeinsamen Einrichtungen aber vor.
Rz. 2a
Abs. 1 normiert den Ersatzanspruch durch die zu missbilligenden Tatbestandsmerkmale. Voraussetzungen sind schuldhaftes Handeln ohne wichtigen Grund und eine kausale Herbeiführung von Leistungszahlungen. Hierzu gehören auch Leistungszahlungen aufgrund erhöhter, aufrechterhaltener oder nicht verringerter Hilfebedürftigkeit. Erfasst werden nicht nur Leistungen zum Lebensunterhalt, sondern auch geleistete Sozialversicherungsbeiträge. Seit dem 1.8.2016 ist gesetzlich klargestellt, dass auch Sachleistungen zu erstatten sind. Gutscheine sind in Geld zu erstatten, es sei denn, sie können zurückgegeben werden, weil sie nicht eingelöst wurden. Die Leistungen müssen allerdings rechtmäßig erbracht worden sein (Bay. LSG, Urteil v. 19.11.2019, L 16 AS 782/16).
Die Pflicht zur Rückerstattung von erhaltenen Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen sozialwidriger Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit kommt nur in Betracht, wenn dieses Verhalten auf einem Eigenverschulden des Grundsicherungsempfängers basiert. Dagegen ist die Geltendmachung eines solchen Erstattungsanspruchs bei Fremdverschulden ausgeschlossen (SG Duisburg, Urteil v. 30.11.2021, S 49 AS 1815/19).
Selbst unter diesen Voraussetzungen soll ein bestehender Ersatzanspruch nicht geltend gemacht werden, soweit die Geltendmachung eine Härte bedeuten würde. Damit wurde die bis zum 31.3.2011 geltende Regelung des Absehens von der Geltendmachung ersetzt, wenn dadurch nunmehr der Ersatzpflichtige selbst abhängig von der Grundsicherung oder der Sozialhilfe (SGB XII) würde. Damit sollte ein Drehtüreffekt ausgeschlossen werden. Die Rechtsänderung schließt nicht aus, eine Härte gerade in diesen Fällen anzuerkennen. Insoweit eröffnet die Vorschrift schon seit dem 1.4.2011 einen größeren Spielraum für die Jobcenter.
Rz. 2b
Abs. 2 bestimmt den Übergang einer Ersatzpflicht nach Abs. 1 auf alle Erben. Damit wird das Nachlassvermögen vorrangig zur Begleichung der Ersatzansprüche herangezogen. Die Begrenzung der Ersatzpflicht auf den Nachlasswert im Zeitpunkt des Erbfalls schützt das erbunabhängige Vermögen des Erben.
Rz. 2c
Abs. 3 schafft Rechtssicherheit hinsichtlich des Bestands von Ersatzansprüchen. Sind nach der Leistungserbringung das laufende Kalenderjahr und 3 weitere Kalenderjahre abgelaufen, erlischt der Anspruch auf Ersatz und kann durch das Jobcenter als gemeinsame Einrichtung der Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers nach § 44b oder nach § 6a zugelassenen kommunalen Trägers nicht mehr geltend gema...