Rz. 3
Der Bundesrat hat vorgeschlagen, § 35 zu erhalten und der Vorschrift eine Regelung anzufügen, nach der nach Ende des Leistungsbezugs vermutet wird, dass ein Erbfall nicht vorliegt und verwertbares Vermögen des Erblassers nicht vorhanden ist. Dies gelte aber nicht, wenn der Leistungsberechtigte nach Aktenlage während des Leistungsbezugs Wohneigentum oder anderes erhebliches geschütztes Vermögen besaß. Seine Auffassung hat der Bundesrat damit begründet, dass die Streichung der Vorschrift nach dem 9. SGB II-ÄndG über das Ziel der Verwaltungsvereinfachung hinausschieße und eine unangemessene Belastung der Sozialsysteme darstelle. Eine nennenswerte Verwaltungsvereinfachung könne mit dem vorgeschlagenen Weg erreicht werden. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 sei die Haftung des Erben ohnehin auf den Nachlass beschränkt, er hafte also nicht mit eigenem, sondern nur mit dem ererbten Vermögen. Er bedarf danach keines darüber hinaus gehenden sozialrechtlichen Schutzes. Erbt er z. B. ein Haus, das zu Lebzeiten des Leistungsberechtigten geschütztes Vermögen war, so erhält er erhebliche Werte, während der Steuerzahler, der die SGB II-Leistungen finanziert habe, leer ausgeht. Das hält der Bundesrat für nicht sachgerecht. Statt die Erbenhaftung zu streichen, solle eine Vermutungsregelung eingefügt werden, wonach das Jobcenter nach Ende des Leistungsbezugs vermuten darf, dass ein Erbfall nicht vorliegt und verwertbares Vermögen des Erblassers nicht vorhanden ist. Solange keine konkreten Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Erbfalles vorliegen, könne das Jobcenter untätig bleiben, muss also keinerlei Ermittlungen anstellen. Liegen konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Erbfalles vor, kann das Jobcenter dennoch untätig bleiben, solange nicht zugleich konkrete Anhaltspunkte für das Vorhandensein von verwertbarem Vermögen des Erblassers vorliegen. Wenn der Leistungsberechtigte nach Aktenlage während des Leistungsbezugs Wohneigentum oder anderes erhebliches geschütztes Vermögen besaß, soll die Vermutung als widerlegt gelten; liegen zugleich Anhaltspunkte für das Vorliegen des Erbfalles vor, muss das Jobcenter danach ermitteln. Außerhalb des vorgeschlagenen Regelungsbereiches bleibe die Fallkonstellation des Versterbens des Leistungsberechtigten während des laufenden Leistungsbezuges. In diesem Fall gelten keine Vermutungsregelungen.
Rz. 4
Die Bundesregierung hat den Vorschlag abgelehnt. Nach ihrer Auffassung bliebe es nach dem Vorschlag der Länder dabei, dass jeder Leistungsfall im Jobcenter ein potenzieller Erbenhaftungsfall ist, da eine (auch gesetzliche) Vermutung jederzeit widerlegbar ist. Es müssten daher im Jobcenter weiterhin alle Leistungsakten, sowohl in Papierform als auch elektronisch im System der eAkte, 13 Jahre aufbewahrt werden. Die Jobcenter müssten demnach weiterhin ermitteln, ob eine ehemals leistungsberechtigte Person verstorben ist, ob es einen Erben gibt, wer der Erbe und wie hoch das Erbe ist, weiterhin, ob der Erbe Partner oder Verwandter des Verstorbenen war und nicht nur vorübergehend mit diesem in häuslicher Gemeinschaft gelebt und ihn gepflegt hat, oder ob ein Härtefall vorliegt. Eine Verwaltungsvereinfachung sei durch den Vorschlag des Bundesrates daher nicht zu erwarten. Der Vorschlag begegne auch gesetzessystematischen Bedenken. Die vorgeschlagene Ergänzung erscheine in der derzeitigen Form auch nicht handhabbar. Wenn die Vermutung gilt, dass kein Erbfall vorliegt, bedarf es keiner weiteren Vermutung hinsichtlich etwa vorhandenen Vermögens. Es sei nicht zu erwarten, dass die geltende Regelung die Sozialsysteme unangemessen belastet. Aus den vorliegenden Zahlen sei erkennbar, dass zum einen unter der Geltung des jetzigen Rechts jährlich nur wenige Ersatzansprüche wegen Erbenhaftung geltend gemacht werden, zum anderen sind die Mehreinnahmen aus Erbenhaftungen sehr gering und stehen in keinem Verhältnis zum bisherigen Verwaltungsaufwand.