2.1 Erbringung von Sach- und Geldleistungen (Abs. 1)
Rz. 5
Nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geld- und Sachleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Sicherheit vorliegen. Nr. 1 entspricht der Regelung des § 328 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Der Gesetzgeber hat die Einfügung von Abs. 1 mit dem Urteil des BSG v. 29.11.2012 (B 14 AS 6/12 R) begründet. Das BSG hatte auf Basis des alten Rechts ausgeführt, dass in den Fällen, in denen objektiv im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung nur die Möglichkeit der Prognose hinsichtlich der Einkommenssituation bestehe, eine abschließende Entscheidung untauglich und daher rechtswidrig sei. Eine solche Fallkonstellation läge regelmäßig dann vor, wenn eine leistungsberechtigte Person oder Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft schwankendes Einkommen erzielen und daher monatlich mit unterschiedlichen Leistungshöhen zu rechnen sei.
Rz. 6
Die vorläufige Entscheidung ergeht durch Verwaltungsakt (allg. Meinung, vgl. Klerks, in: Münder/Geiger, SGB II, § 41a Rz. 9). Daher sind die verfahrensrechtlichen Vorschriften über Verwaltungsakte (z. B. § 40 SGB II, §§ 31 ff. SGB X) anzuwenden, soweit sich aus der Vorläufigkeit der Entscheidung keine Besonderheiten ergeben (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 41a Rz. 2). Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 1 Satz 1 besteht ein Anspruch auf eine vorläufige Leistungsbewilligung (allg. Meinung, vgl. Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 41a Rz. 14; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 41a Rz. 6). Dagegen besteht hinsichtlich des konkreten Inhalts der Leistungsbewilligung ein Auswahlermessen (Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 41a Rz. 14 m. w. N.; ähnlich: Kallert, in: Gagel, SGB II, § 41a Rz. 7).
Rz. 7
Die vorläufige Leistung kommt bei Geld- und Sachleistungen in Betracht. Hierzu zählen u.a. das Arbeitslosengeld II, die Kosten für Unterkunft und Heizung, Sozialgeld, Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung, Mehrbedarfszahlungen, die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket und auch Lebensmittelgutscheine nach § 31a SGB II (Kallert, in: Gagel, SGB II, § 41a Rz. 30). Die vorläufige Leistungserbringung ist für diese Leistungen einheitlich auszusprechen. Die Vorläufigkeit erstreckt sich also auf die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt, die Unterkunftskosten und die weiteren Leistungen, wie z. B. Mehrbedarfe (allg. Meinung, vgl. Conradis/Klerks, info also 2018 S. 147 m. w. N.). Dienstleistungen können nicht vorläufig gewährt werden (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 41a Rz. 4; Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 41a Rz. 9). Dies gilt auch für Gutscheine mit denen Dienstleistungen bei Dritten eröffnet werden sollen (Kallert, in: Gagel, SGB II, § 41a Rz. 30). Eine Bescheidung von Teilen der Leistung als vorläufig und anderen Teilen als endgültig kommt nicht in Betracht (Klerks, in: Münder/Geiger, SGB II, § 41a Rz. 9; Fachliche Weisungen der BA, Stand: 3/2018). Der Gesamtbescheid ist damit vorläufig (Klerks, a. a. O.).
Rz. 8
Die vorläufige Leistungsbewilligung erstreckt sich auf den gesamten Bewilligungszeitraum. Über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist i.d.R. für ein Jahr zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll nach § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 insbesondere in den Fällen regelmäßig auf 6 Monate verkürzt werden, in denen über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird. Die Festlegung des Bewilligungszeitraums erfolgt einheitlich für die Entscheidung über die Leistungsansprüche aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft.
Rz. 9
Abs. 1 regelt die vorläufige Leistungsgewährung ("Über die Erbringung..."), nicht aber die vorläufige Leistungsablehnung (Kemper, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 41a Rz. 9; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 41a Rz. 31). Deshalb kommt eine vorläufige Ablehnung nicht mit dem Hinweis in Betracht, dass das aktuell den Bedarf abdeckende Einkommen in Zukunft durchaus niedriger ausfallen könne. Der Antrag ist in solchen Fällen abzulehnen (Fachliche Weisungen der BA, Stand: 3/2018). Auch die Aufhebung eines Verwaltungsakts bzw. die Rückforderung von Leistungen kann nicht vorläufig über Abs. 1 erfolgen, da nach dem Wortlaut der Vorschrift nur die "Erbringung" von Leistungen Inhalt der Vorläufigkeit ist (ebenso Kallert, in: Gagel, SGB II, § 41a Rz. 31).
Rz. 10
Die vorläufige Bewilligung kommt nur in solchen Fällen in Betracht, in denen noch nicht abschließend für den Bewilligungszeitraum entschieden wurde. Deshalb kann eine von Beginn an endgültig bewilligte Leistung nicht (z. B. aufgrund im Nachherein festgestellten schwankenden Einkommens) rückwirkend aufgehoben und in eine vorläufige Bewilligung umgewandelt werden (Fachliche Weisungen der BA, Stand: 3/2018). Voraussetzung für § 41a ist, dass zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung der künftigen Einkommenssituation besteh...