2.1 Rechtstechnische Entwicklung der Vorschrift
Rz. 3
Durch das Gesetz zur Förderung der beruflichen Weiterbildung im Strukturwandel und zur Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung v. 20.5.2020 (BGBl. I S. 1044) wurde ein neuer § 82 in das SGB II eingefügt (später geändert durch das Beschäftigungssicherungsgesetz v. 3.12.2020, BGBl. I S. 2691).
Rz. 4
Durch Art. 29 Nr. 1 und 6 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts v. 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) wurde als Übergangsregelung ebenfalls ein § 82 in das SGB II eingefügt. Inhaltlich entsprach die Regelung derjenigen, die nunmehr ab 1.1.2024 das Übergangsrecht in § 84 bestimmt.
Rz. 5
Wegen der Doppelbelegung des § 82 wurden die Regelungen in Art. 29 Nr. 1 und 6 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts durch Art. 89 Nr. 3 des Gesetzes über die Entschädigung der Soldatinnen und Soldaten und zur Neuordnung des Soldatenversorgungsrechts v. 20.8.2021 (BGBl. I S. 3932) wieder aufgehoben. Dasselbe Gesetz regelt in Art. 33 mit Wirkung zum 1.1.2024 die Einführung eines neuen § 84 im SGB II (vgl. BT-Drs. 19/27523).
Rz. 6
Diese Regelung wird durch Änderung des Art. 33 des Gesetzes über die Entschädigung der Soldatinnen und Soldaten und zur Neuordnung des Soldatenversorgungsrechts durch das Elfte Gesetz zur Änderung des zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Neufassung der Überschrift und des Wortlautes von § 84 inhaltlich bestätigt. Änderungen im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss für Arbeit und Soziales waren lediglich formal bedingt.
Rz. 7
Die Neufassung war erforderlich, weil durch das Elfte Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für den vorausgehenden Zeitraum ab 1.7.2022 (inhaltlich bis zum 1.7.2023 begrenzt) ebenfalls eine Regelung als § 84 in das SGB II eingefügt wurde (das Sanktionsmoratorium).
2.2 Sanktionsmoratorium in der Grundsicherung für Arbeitsuchende
2.2.1 Überblick
Rz. 8
§ 84 in der vom 1.7.2022 an geltenden Fassung bestimmt die Nichtanwendung des § 31a und nur eingeschränkte Anwendung des § 32.
Rz. 9
Die Vorschrift war rechtstechnisch nicht befristet, erst ab 1.1.2024 treten durch Neufassung andere Inhalte in Kraft. Inhaltlich wurde die Anwendung der Vorschrift jedoch im Wortlaut auf die Zeit bis zum 1.7.2023 begrenzt. Diese Begrenzung wurde durch die Aufhebung des § 84 mit dem Inhalt des Sanktionsmoratoriums durch das Bürgergeld-Gesetz geändert. Dem lag ein Vorschlag des Vermittlungsausschusses zugrunde, der von Bundestag und Bundesrat angenommen wurde (vgl. BT-Drs. 20/4600). Die Anwendung des § 84 endete damit mit Ablauf des 31.12.2022.
2.2.2 Sanktionsmoratorium für Pflichtverletzungen nach § 31, Abs. 1
Rz. 10
Für die Zeit des Sanktionsmoratoriums galt:
Das Sanktionsmoratorium bezieht sich auf die Anwendung des § 31a insgesamt. Das bedeutet, dass alle nach § 31a zu treffenden Entscheidungen nicht getroffen werden: Das sind alle Entscheidungen aufgrund von Pflichtverletzungen nach § 31 nach Maßgabe der Einzelregelungen in § 31a sowohl in Bezug auf erwerbsfähige Leistungsberechtigt unter und ab 25 Jahren (§ 31a Abs. 1 und 2). In Bezug auf nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte scheidet die Anwendung des § 31a Abs. 4 aus. Diese Regelung bezieht sich aber ohnehin nur auf Pflichtverletzungen nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 und 2.
Rz. 11
Nachdem Pflichtverletzungen nach § 31 überhaupt nicht weiter verfolgt werden, scheidet eine Anwendung des § 31a Abs. 3 Satz 1 und 2 darüber, ob und in welchem Umfang Sachleistungen zu erbringen sind oder erbracht werden können, aus.
Rz. 12
Auch § 31a Abs. 3 Satz 3 ist nicht anzuwenden. Das bedeutet, dass die Jobcenter nicht prüfen, ob ohne das Sanktionsmoratorium eine Leistungsminderung festzustellen wäre und aus diesem Grund das Arbeitslosengeld II, soweit es für den Bedarf für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 erbracht wird, an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden soll.
Rz. 13
Die Gesetzesmaterialien nehmen auf den Koalitionsvertrag für die 20. Legislaturperiode Bezug, der sieht die Einführung eines Bürgergeldes vor. In diesem Zusammenhang soll auch die vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 2019 geforderte gesetzliche Neuregelung der Sanktionen nach dem SGB II erfolgen. Als Zwischenschritt zu einer gesetzlichen Neuregelung werden die Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen befristet bis zum Ablauf des 1.7.2023ausgesetzt (Sanktionsmoratorium in der Grundsicherung für Arbeitsuchende). Danach soll das Bürgergeld die Mitwirkungspflichten und die Folgen der Verstöße neu regeln. Die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse ergänzt um die praktischen Erfahrungen aus der Zeit der Pandemie können durch das Moratorium ausgewertet und in die Konzeption des Bürgergeldes einbezogen werden (vgl. BR-Drs. 126/22).
Rz. 14
Der Allgemeine Teil der Gesetzesbegründung fokussiert nochmals auf das Bundesverfassungsgericht, das am 5.11.2019 zu den Rechtsfolgen bei Pflichtverletzungen (sog. "Sanktionen") in der Grundsicherung für Arbeitsuchende geurteilt hat (1 BvL 7/16). Demnach darf der Gesetzgeber grundsätzlich Mitwirkungspflichten mithilfe von Leistungsminderungen durchsetzen. Allerdings sind bestimmte Sanktionsregelungen bei Pflichtverletzungen mit dem Grundrecht au...