Rz. 17
Das Sanktionsmoratorium bezieht sich eingeschränkt auch auf Verletzungen der Meldepflicht. Sanktionen nach § 32 können daher auch nach dem 30.6.2022 mit Einschränkungen weiterlaufen oder neu festgestellt werden und ablaufen. Abs. 2 und Abs. 3 sind erst im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss für Arbeit und Soziales in den Beschlussvorschlag für den Deutschen Bundestag eingefügt worden. In dem in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachten Entwurf war noch eine weiterhin uneingeschränkte Anwendung der Rechtsfolgen bei Meldeversäumnissen enthalten.
Rz. 18
Abs. 2 bestimmt eine Maßgabe für die Anwendung des § 32 während des Sanktionsmoratoriums. Das bedeutet, dass eine Nichtanwendung der Vorschrift wie bei Pflichtverletzungen nach § 31 ausgeschlossen ist. Jedoch ist ein erstes Meldeversäumnis im Zeitraum des Sanktionsmoratoriums nicht mit Rechtsfolgen zu belegen. Es gilt, dass Leistungsminderungen aufgrund von nicht wiederholten Meldeversäumnissen, die im Zeitraum des Sanktionsmoratoriums stattfinden, auch nach Ablauf des Sanktionsmoratoriums nicht möglich sind. Eine nachträgliche Feststellung, auch innerhalb des Zeitraums nach § 31b Abs. 1 Satz 5, ist insofern ausgeschlossen (BT-Drs. 20/1881).
Rz. 19
Sinn und Zweck der Regelung des Abs. 2 Satz ist es, im Sinne eines Verwaltungsverfahrens mit den Leistungsberechtigten auf Augenhöhe ein erstes Meldeversäumnis (noch) nicht zu sanktionieren, sondern Rechtsfolgen erst dann eintreten zu lassen, wenn sich erweist, dass bei Kommunikation auf Augenhöhe mit Abstimmung der Eingliederungsbemühungen und Rechtsfolgenbelehrungen ein zweites Mal innerhalb eines definierten Zeitraumes die Mitwirkungspflichten in Form des persönlichen Erscheinens nach einer Aufforderung unter Angabe des Meldezwecks nicht wahrgenommen werden.
Rz. 20
Zunächst ist fraglich, wann ein erstes Meldeversäumnis vorliegt. Das dürfte an sich der Fall sein, wenn die Meldepflichten nach Entstehung des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen verletzt werden. Ein erstes Meldeversäumnis i. S. d. § 84 Abs. 2, also i. S. des Sanktionsmoratoriums liegt allerdings erst vor, wenn es im Sanktionszeitraum begangen wird. Daraus folgt insbesondere, dass Sanktionen wegen vorausgegangener Meldeversäumnisse nicht rückgängig gemacht werden. Einzuräumen ist allerdings, dass eine solche nicht ganz widerspruchsfrei zu der gesetzlichen Regelung ist, dass ein wiederholtes Meldeversäumnis erst nach Ablauf eines Jahres ohne Rechtsfolgen bleibt, wenn doch das Sanktionsmoratorium selbst nur für einen Zeitraum von einem Jahr gilt. Eine besondere Fallkonstellation liegt nur vor, wenn ein Sanktionszeitraum wegen Meldeversäumnis in den Zeitraum des Sanktionsmoratoriums hineinragt. Dann sollte analog zum gesetzgeberischen Willen für das Sanktionsmoratorium nach Abs. 1 die laufende Leistungsminderung wegen Meldeversäumnis mit Beginn des Sanktionszeitraumes aufgehoben werden.
Rz. 21
Aus einer solchen Aufhebung resultiert die Folgefrage, ob damit die Begünstigung eines sanktionsfreien Meldeversäumnisses während des Sanktionsmoratoriums ausgeschöpft worden ist, obwohl nur ein Teil der Sanktion nicht tatsächlich umgesetzt wurde. Das sollte nach Sinn und Zweck der Regelung der Fall sein. Es ist nicht ersichtlich, warum ein erneutes Meldeversäumnis in Kenntnis der Meldepflicht und nach der Begünstigung zu Beginn des Sanktionsmoratoriums erneut ohne Rechtsfolgen bleiben sollte (sofern es innerhalb eines Jahres seit dem letzten Meldeversäumnis begangen wurde, Abs. 2 Satz 2. Ein anderes Ergebnis ist der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vorbehalten, die sicherlich zu solchen Fallgestaltungen bemüht werden wird.
Rz. 22
Im Übrigen aber ist ein erstes Meldeversäumnis i. S. d. Abs. 2 Satz 1 das erste Meldeversäumnis im Zeitraum des Sanktionsmoratoriums, unabhängig vom Leistungsbeginn vor oder während des Zeitraumes nach § 84. Als erstes Meldeversäumnis im Hinblick auf eine möglicherweise zukünftig eintretende Rechtsfolge, also sozusagen ein "Zählmeldeversäumnis" ist nur ein Meldeversäumnis anzusehen, das ohne das Sanktionsmoratorium tatsächlich die Voraussetzungen für die Feststellung und den Eintritt einer Sanktion erfüllt hat, insbesondere also ohne wichtigen Grund begangen wurde. Meldeversäumnisse, die ohnehin keine Leistungsminderungen zur Folge haben konnten, bleiben also in der Zukunft unberücksichtigt.
Rz. 23
Ein wiederholtes Meldeversäumnis liegt vor, wenn es innerhalb eines Jahres einem vorangegangenen Meldeversäumnis, das die Voraussetzungen für die geregelten Rechtsfolgen der Leistungsminderung erfüllte, begangen worden ist. Dabei müssen beide Meldeversäumnisse die Voraussetzungen für die leistungsrechtlichen Konsequenzen erfüllen. Bei einem (ersten) Meldeversäumnis am 31.8.2022 bleibt danach erst ein weiteres Meldeversäumnis folgenlos, das nach dem 31.8.2023 begangen wird, vorausgesetzt, es gab auch keine zwischenzeitlichen vorwerfbaren Meldeversäumnisse. Dieses Meldeversäumnis liegt allerdings bereits außerhalb des Sanktionsmoratorium...