Rz. 5
Zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft sind folgende Leistungen vorgesehen:
- Wintergeld an Arbeitnehmer nach der Anzahl geleisteter Arbeitsstunden,
- Wintergeld an Arbeitnehmer zum teilweisen Ausgleich von Einkommensverlusten während der Zeit eines witterungsbedingten Arbeitsausfalles und zusätzlich zum Arbeitsentgelt für eingebrachtes Arbeitszeitguthaben, das die Zahlung von WAG-Vorausleistung oder WAG entbehrlich macht,
- Winterausfallgeld an Arbeitnehmer ab der 101. witterungsbedingten Ausfallstunde, ggf. bereits ab der 31. Ausfallstunde,
- Beitragszuschüsse für Beitragsleistungen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung an Arbeitgeber.
Rz. 6
Mit diesen Leistungen verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Bautätigkeit auch in der witterungsungünstigen Jahreszeit aufrechtzuerhalten und dadurch die Arbeitsverhältnisse der Bauarbeitnehmer im Winter zu stabilisieren.
Rz. 7
Ob das mit dem reformierten Förderungsnetz gelingen kann, ist fraglich. Mit der Streichung des Schlechtwettergeldes als Lohnersatzleistung für die Arbeitnehmer des Baugewerbes aus Beitragsmitteln hatte der Gesetzgeber die Aufwendungen im Ergebnis fast vollständig auf die betroffenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgewälzt. Die Leistungen der Arbeitsförderung wurden insoweit auf außerordentliche Witterungsrisiken beschränkt, z.B. lang andauernde, strenge Winter, besondere Witterungsanfälligkeit oder ungünstige Lage einzelner Regionen (vgl. BT-Drs. 13/2742). Das daneben weiterhin vorgesehene Wintergeld wurde kostenneutral umgestaltet. Wintergeld und Winterausfallgeld-Vorausleistung mussten durch die Betriebe des Baugewerbes über die Winterbau-Umlage selbst finanziert werden. Erst nach 20 Ausfalltagen bzw. 150 Ausfallstunden mit Anspruch auf Winterausfallgeld-Vorausleistungen, die für das Bauhauptgewerbe in Form eines tariflichen Überbrückungsgeldes in Höhe von 75% des ausgefallenen Arbeitsentgeltes von den Tarifvertragsparteien vereinbart wurden, trat die Bundesagentur für Arbeit (BA) mit beitragsfinanziertem Winterausfallgeld für weitere Ausfallstunden ein.
Rz. 8
Diese Lösung verkannte die betriebliche Wirklichkeit, insbesondere die Überforderung der kleineren Baubetriebe mit Arbeits- und Umlagekosten. Nicht anders war es beim Dachdeckerhandwerk, dem Gerüstbau sowie dem Garten- und Landschaftsbau, wo mit dem Bauhauptgewerbe vergleichbare Winterausfallgeld-Vorausleistungen durch die Tarifvertragsparteien vereinbart wurden. Im Winter 1996/1997 wurden mehrere Hunderttausend Arbeitnehmer aus der Bauwirtschaft entlassen. Dabei ging ein Konjunktureinbruch in der Bauindustrie mit den zusätzlichen Belastungen für die Bauarbeitgeber einher. Zumeist wurden kurzfristig rechtswidrige Kündigungen aus witterungsbedingten Gründen ausgesprochen. Tarifvertraglich vereinbarte Kündigungsverbote wurden missachtet; meistwurde den betroffenen Arbeitnehmern eine Wiedereinstellung im Frühjahr verbindlich oder unverbindlich zugesagt, um sie zur Hinnahme der Kündigung zu bewegen. Die BA hat schließlich ihre Verwaltungspraxis geändert und bei rechtswidrigen Kündigungen mit verbindlicher Wiedereinstellungszusage eine vorherige Absprache der nachfolgenden Arbeitgeberkündigung angenommen. Dadurch lagen regelmäßig die Merkmale eines Auflösungssachverhaltes i.S. der Sperrzeitregelungen vor; eine Sperrzeit tritt seither nur in den wenigen Fällen nicht ein, in denen der Arbeitslose einen wichtigen Grund für sein Verhalten hat (vgl. Komm. zu § 144).
Rz. 9
Seither ist keine merkliche Stabilisierung der Beschäftigungsverhältnisse in der Bauwirtschaft zu verzeichnen. Die Konjunktur in der Bauindustrie hat sich nicht gebessert, Strukturprobleme sind weitgehend ungelöst geblieben. Dem Auftragseinbruch in allen Zweigen der Bauwirtschaft folgten im Jahresverlauf 1997 weitere Auftragsrückgänge.
Rz. 10
Der Gesetzgeber hat jedoch mit dem Gesetz zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung im Baugewerbe im Grunde an dem bereits gescheiterten Förderungssystem festgehalten. Wie schon 1995 hat er auf tarifvertragliche Vereinbarungen im Bauhauptgewerbe verwiesen, auf die die seit dem 1.11.1997 geltenden Förderungsbestimmungen abgestellt worden seien. Die Anstrengungen der Tarifvertragsparteien für das Bauhauptgewerbe zur Verbesserung ihrer tariflichen Regelungen über ein ganzjährig gesichertes Einkommen sowie die Bemühungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit sollten anerkannt werden. Die Neuregelung zum 1.11.1999 hat an dem sog. Drei-Säulen-Modell festgehalten, die Arbeitgeber weiter entlastet und die Bundesagenturfür Arbeit stärker in die Pflicht genommen. Profitieren sollen letztlich die Arbeitnehmer, die von Winterarbeitslosigkeit verschont werden und denen ein ganzjähriges, verstetigtes Einkommen garantiert werden soll.