Rz. 11

Tatsächlich erweisen sich die Regelungen als erheblich flexibles Instrument. Einerseits zeigt sich dies in der Abstimmung auf flexible Arbeitszeiten im Bauhauptgewerbe; dem Winterausfallgeld geht der Abbau von Arbeitszeitguthaben voraus. Daraus kann sich auch eine Kostenentlastung für die Bauarbeitgeber ergeben: Ausfallstunden im Winter werden aus Mehrarbeitsstunden im vorausgegangenen Frühjahr, Sommer und Herbst finanziert. Der Gesetzgeber sieht darin eine Möglichkeit zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Es bedarf aber nicht zwingend einer erneuten tarifvertraglichen Abstimmung in den übrigen Zweigen des Baugewerbes, weil die Förderungsbestimmungen hauptsächlich eine systemkonforme Förderungserweiterung vorsehen. Winterausfallgeld kann bereits ab der 31. Ausfallstunde gezahlt werden (vgl. Komm. zu § 211). Zur Kostenentlastung in diesen Fällen trägt der nach § 214a vorgesehene Beitragszuschuss bei.

 

Rz. 12

Der Gesetzgeber hat durch konsequentes, aber auch umsichtiges Verhalten eine Politik der Gemeinsamkeit mit den Tarifvertragsparteien zur Bewältigung der Schwierigkeiten bei der Sicherung eines ganzjährigen Einkommens für die Bauarbeiter eingeleitet. Das Festhalten an der Weigerung, Arbeitsentgeltminderungen der Bauarbeiter wegen witterungsbedingter Arbeitsausfälle bereits von der ersten Ausfallstunde an mit einer Lohnersatzleistung aus Beitragsmitteln teilweise (im Umfang des Alg) auszugleichen, hat die Tarifpartner zu Verhandlungen gezwungen, deren Ergebnis die gesetzlich festgelegte Kostenentlastung für die Arbeitslosenversicherung und eine Verlagerung des baugewerblichen Risikos in der witterungsungünstigen Jahreszeit in größerem Umfangauf die Arbeitgeber und Arbeitnehmer selbst bestätigt hat.

 

Rz. 13

Ungeachtet des positiven flexiblen Ansatzes muss jedoch kritisiert werden, dass konjunkturellen und strukturellen Problemen nicht ausreichend begegnet wird. Das Regelungswerk wird dem Gedanken des Neunten Abschnittes von einer tatsächlichen ganzjährigen Bautätigkeit nicht gerecht. Es wird lediglich der Versuch unternommen, die Beendigung der Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnisse in der witterungsungünstigen Jahreszeit zu vermeiden. Erforderlich wären jedoch Regelungen, die (wirtschafts-)politische Bemühungen zur durchgreifenden Verbesserung der Auftragslage im Baugewerbe im Winter besser flankieren. Dazu gehörten vor allem produktionsorientierte Leistungen der Winterbauförderung, die die Schaffung der Voraussetzungen für die Durchführung von Bauarbeiten im Winter finanziell unterstützen. Das AFG sah dazu Investitions-, Miet- und Mehrkostenzuschüsse vor, die allerdings seit 1986 nicht mehr gewährt wurden und im SGB III als Förderungsinstrument nicht mehr enthalten sind. Diese Zuschüsse verfolgten den besseren Weg, Ausfallstunden zu vermeiden statt sie zu finanzieren. Der Erwerb oder die Miete von Geräten und Einrichtungen, die Bauarbeiten auch bei ungünstiger Witterung ermöglichen, sowie die Durchführung von Schutzmaßnahmen auf der Baustelle zur Vermeidung von witterungsbedingten Arbeitsausfällen müssen daher als besonders förderungswürdig angesehen werden. Die Förderung wäre dabei aus Beitrags- oder Steuermitteln zufinanzieren; eine Umlage wäre allerdings insoweit vertretbar, als nur die Bauarbeitgeber zur Umlage herangezogen würden, die keine zusätzlichen Aufwendungen für die Fortführung von Bauarbeiten im Winter erbringen bzw. erbringen wollen.

 

Rz. 14

Ein weiterer Ansatz für ein verbessertes Regelwerk wäre eine konsequentere Übertragung der Winterbauförderung in den Verantwortungsbereich der Bauwirtschaft. Je mehr die Arbeitgeber des Baugewerbes die Förderungsmittel ohnehin durch eine Umlage aufbringen müssen, umso mehr sollten sie die Möglichkeit haben, Rahmen und Bedingungen der Winterbauförderung mitzubestimmen. Insoweit könnten die Regelungen im Gesetz auf den äußeren Rahmen beschränkt und nur im Bereich beitrags- oder steuerfinanzierter Ausgaben konkret gefasst werden. Der Gesetzgeber hält also ein Teilprivatisierungspotenzial in Händen; eine Entlastung der Verwaltung ist ebenso möglich wie eine Lichtung der Regelungsdichte durch Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften. Ein Erfolg versprechender Ansatz punkt ist im Zuschuss-Wintergeld nach § 213 Abs. 1 Buchst.b als Prämie für eingebrachtes Arbeitszeitguthaben zu sehen.

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