Rz. 26
Abs. 2 grenzt bestimmte Bedingungen für die Erwerbstätigkeit des Leistungsberechtigten von unzumutbaren Bedingungen und Umständen nach Abs. 1 ab. Sie beziehen sich auf den Beruf, die Qualifikation der Tätigkeit, den Beschäftigungsort und sonstige allgemeine Arbeitsbedingungen. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Verschlechterungen in einem dieser Felder gegenüber früherer Erwerbstätigkeit kann die Unzumutbarkeit der Arbeit nicht begründen. Mehrere Verschlechterungen zusammen können aber möglicherweise von solchem Gewicht sein, dass sie gemeinsam einen wichtigen Grund zur Arbeitsablehnung wegen Unzumutbarkeit i. S. d. Abs. 1 Nr. 5 ergeben. Das ergibt sich aus der Formulierung im Gesetz, dass ein Einzelsachverhalt aus Abs. 2 Nr. 1 bis 5 nicht allein eine Arbeit unzumutbar macht. Hierfür kommt es auf eine Gesamtschau im Einzelfall an. Letztlich findet eine Abwägung der persönlichen Interessen des Leistungsberechtigten mit den Interessen der Allgemeinheit an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit statt. Die Jobcenter erkennen den Grund, dass es wegen einer Privatinsolvenz nicht lohnenswert sei, einer Arbeit nachzugehen ebenso wenig als wichtigen Grund an wie die Ablehnung von Arbeit zur Umgehung von Unterhaltspflichten.
Rz. 27
Abs. 2 Nr. 1 bezieht sich auf den Beruf, den der Leistungsberechtigte erlernt oder ausgeübt hat. Das kann auch eine selbständige Tätigkeit gewesen sein. Eine aktuell mögliche Arbeitsaufnahme muss dieser beruflichen Tätigkeit nicht entsprechen. Der Leistungsberechtigte genießt keinen Berufsschutz und auch keinen vollumfänglichen Schutz vor beruflichem Abstieg. Das gilt auch dann, wenn er diesen Beruf über Jahrzehnte ausgeübt hat oder in jüngster Vergangenheit für ihn ausgebildet wurde und die Aussichten auf eine Beschäftigung in diesem Beruf auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, für den der Leistungsberechtigte auch räumlich in Betracht kommt, positiv einzuschätzen sind. In solchen Fällen entscheiden die Vermittlungsfachkräfte und Fallmanager im Sinne einer langfristigen beruflichen Eingliederung, welche Eingliederungsstrategie die zweckmäßigste ist. Über konkrete Berufe gilt die Regelung für jede Art beruflicher Tätigkeit entsprechend, also sowohl für unselbständige Arbeit wie für selbständige berufliche Tätigkeiten, soweit sie als Beruf bezeichnet werden können, weil sie auf eine dauerhafte Sicherung des Lebensunterhaltes angelegt sind. Es kommt aber auf die tatsächliche berufliche Tätigkeit vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit an, daran knüpft Abs. 2 Nr. 1 an. Der Begriff der Ausbildung ist weit auszulegen, es kommt nicht unbedingt auf einen geordneten Ausbildungsgang an. Abzugrenzen ist Ausbildung allerdings von (beruflicher) Weiterbildung. Bei Eingliederungsmaßnahmen sind Arbeiten, die auf eine bestimmte berufliche Qualifikation abzielen, aber mit der früheren Beschäftigung oder Tätigkeit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten keine Gemeinsamkeiten aufweisen, aufgrund des Abs. 3 ebenfalls nicht unzumutbar. Die in Aussicht genommene Beschäftigung muss allerdings ebenfalls zumutbar i. S. d. Abs. 1, namentlich Abs. 1 Nr. 1 sein.
Rz. 28
Nach Abs. 2 Nr. 2 sind auch Beschäftigungen zumutbar, wenn sie lediglich nicht der Ausbildung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten entsprechen, sondern mit beruflichem Abstieg verbunden sind, weil sie als geringerwertig, besser: geringwertiger, anzusehen sind. Auch insoweit besteht kein Berufsschutz. Das betrifft auch ein geringeres soziales Ansehen. Das Grundrecht der freien Berufswahl ist bei der Zuweisung von Jobangeboten im Rahmen der Arbeitsvermittlung von Arbeitslosen ohne Bedeutung (SG Nordhausen, Urteil v. 1.3.2021, S 11 AS 950/20).
Die Regelung berücksichtigt, dass sich mit zunehmender Dauer von Arbeitslosigkeit die Qualifikation des Leistungsberechtigten für die seiner Ausbildung entsprechenden beruflichen Tätigkeit immer weiter vom Soll entfernt, weil z. B. neue Arbeitsverfahren aufgrund der technischen Entwicklung zum Einsatz kommen, deren der Leistungsberechtigte nicht mächtig ist oder die Fähigkeiten nicht mehr benötigt werden, weil die Tätigkeiten im Zuge der Globalisierung ins Ausland verlegt wurden. In solchen Fällen muss zwangsweise auf geringwertigere Erwerbsmöglichkeiten zurückgegriffen werden. Die Vorschrift erfasst aber auch Fälle, in denen sich eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Leistungsberechtigten ergibt, die nicht seiner Ausbildung entspricht, der Ausbildungsberuf aber sehr ungünstige Arbeitsmarktchancen aufweist. Für Sachverhalte nach Abs. 2 Nr. 2 müssen Ausbildungshierarchien in Bezug auf die Qualifikationsniveaus gebildet werden. So sind Fachschulausbildungen geringwertiger als Hochschulausbildungen, Helferausbildungen geringwertiger als Vollberufsausbildungen, Bachelorausbildungen geringwertiger als Masterausbildungen. Qualifikationsgruppen existieren nicht, ebenso keine Stufen, die Arbeit wegen eines zu großen Stufenunterschiedes unzumutbar machen könnten. Die Rechtsprechung hat wiederholt bestätigt, dass auch Hilfs...