Rz. 2
Die Vorschrift regelt die Berücksichtigung von Einkommen. Sie gehört neben derjenigen über die Leistungen zu den Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22) zu den umstrittensten Vorschriften der Grundsicherung für Arbeitsuchende, soweit sie keine begünstigenden Regelungen für die Leistungsberechtigten trifft. Mehr als 12 Mrd. EUR werden jährlich als Einkommen auf die Bedarfe der "Regelleistungs-Bedarfsgemeinschaften" angerechnet, das zu berücksichtigende Einkommen betrug 16,4 Mrd. EUR (gleitender Jahreswert Dezember 2017 bis November 2018, BT-Drs. 19/9553). Nach der Neufassung der Vorschrift und ihrer Spaltung in die §§ 11, 11a und 11b enthält § 11 den Grundsatz der Berücksichtigung von Einkommen und Regelungen dazu, zu welchem Zeitpunkt bzw. für welchen Zeitraum laufende und einmalige Einnahmen zu berücksichtigen sind. Spätestens seit dem Inkrafttreten des 9. SGB II-ÄndG im Wesentlichen am 1.8.2016 ist die Aufspaltung der Vorschriften nach Einkommen und dessen Berücksichtigung (§ 11), nicht zu berücksichtigendem Einkommen (§ 11a) und von zu berücksichtigendem Einkommen abzusetzenden Beträgen (§ 11b) deutlich durchbrochen. Zu berücksichtigendes Einkommen enthält (seither) z. B. auch § 11a.
Rz. 2a
Das Bürgergeld ist als steuerfinanzierte Fürsorgeleistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende immer noch vom Prinzip des Förderns und Forderns geprägt, auch wenn zwischenzeitlich Überzeugungen wie "Arbeit muss zum Leben passen", "Es gibt ein Recht auf Sicherheit" und "Neue Solidarität verlangt doppelte Verantwortung" die Gesetzgebung ebenfalls ausprägen. Deshalb ist es folgerichtig, dass vorrangig vor der staatlichen Leistungsgewährung zunächst das in der Bedarfsgemeinschaft vorhandene und aktuell zufließende Einkommen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft eingesetzt wird. Zu den Einnahmen gehören auch Eigentumsübergänge während des Bezuges von Bürgergeld, z. B. durch tatsächliche Übergabe eines Fahrzeuges (vgl. auch RZ 49). Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Einnahme dann auch als Einkommen zu berücksichtigen ist. Nach dem Subsidiaritätsgrundsatz gelangt erst dann das Bürgergeld zur Auszahlung.
Rz. 2b
Die Vorschrift war und ist besonders häufig Gegenstand von Widerspruch und Klage. Die Erfolgsquote ist immer noch beträchtlich, auch wenn die zu entscheidenden Verfahren immer häufiger besondere Spezifika aufweisen. Daran hat sich durch die Aufspaltung in mehrere Regelungen nichts geändert. Der Einfluss der Rechtsprechung auf die Umsetzung der Vorschrift in der Praxis ist demnach erheblich. Neben den §§ 11, 11a und 11b und insbesondere die Abgrenzung von Einkommen vom Vermögen nach § 12 sind die Vorschriften der Bürgergeld–V zu beachten, die aufgrund der Ermächtigung des § 13 Abs. 1 erlassen wurde. Der Gesetzgeber wollte sich bei der Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Wesentlichen an das Recht der Sozialhilfe (jetzt SGB XII) halten. Die gegenüber der früheren Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III ungünstigeren Bestimmungen zur Berücksichtigung von Einkommen im SGB II begegnen nach der Rechtsprechung des BSG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BSG, Urteil v. 23.11.2006, B 11b AS 1/06 R). Der Gesetzgeber hat insbesondere nicht die Anforderungen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips verletzt. Betroffene hatten aufgrund des Verlaufs des Gesetzgebungsverfahrens und einem Zeitraum von mehr als einem Jahr von der Verkündung des Gesetzes im BGBl bis zu seinem Inkrafttreten am 1.1.2005 ausreichend Gelegenheit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Im Übrigen unterlag die Arbeitslosenhilfe als staatliche Fürsorgeleistung ohnehin der Prämisse der jederzeitigen Änderbarkeit. Im Einzelnen vgl. auch die Komm. in Rz. 4 zu § 11b.
Rz. 2c
Die im Vergleich zur früheren Arbeitslosenhilfe nach dem SGB III abweichenden Modalitäten rechtfertigten sich zudem aus der völlig anderen Zielsetzung der für die Zeit ab 2005 neu konzipierten Grundsicherung für Arbeitsuchende. Deshalb könnten auch die vom BVerfG entwickelten Maßstäbe zur Frage der Einkommensanrechnung unter zuvor erwerbstätigen Ehepartnern nicht von der Arbeitslosenhilfe auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende übertragen werden (unter Hinweis auf das BVerfG, Urteil v. 17.11.1992, 1 BvL 8/87). Das BVerfG hatte seinerzeit entschieden, dass durch die Anrechnung bei nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten im Gegensatz zu Alleinstehenden keine Nachteile in einer Höhe entstehen dürften, die nicht durch die bei gemeinschaftlicher Haushalts- und Wirtschaftsführung zu erzielenden Einsparungen ausgeglichen würden. Auch müsse die gesetzliche Regelung Gewähr dafür bieten, dass das Existenzminimum in jedem Fall unberührt bleibe.
Rz. 2d
Einnahmen in Geldeswert sind durch die Änderung des Abs. 1 Satz 1 seit dem 1.8.2016 grundsätzlich nicht mehr als Einkommen zu berücksichtigen. Einschränkungen der grundsätzlichen Freistellung geldwerter Leistungen von der Berücksichtigung als Einkommen enthält Abs. 1 Satz 2. Fol...