2.4.1 Systematik der Vorschriften zur Einkommensberücksichtigung
Rz. 16
Welche Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, wird im SGB II in § 11a abschließend geregelt. Absetzbeträge regelt § 11b. Geschützte Schadenersatz- und Schmerzensgeldzahlungen (§ 11a Abs. 2) sind als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie der Empfänger nur geerbt hat, also selbst nicht der Geschädigte ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 22.10.2009, L 25 AS 1746/08). Allerdings ist eine Erbschaft seit dem 1.7.2023 nicht mehr als Einkommen zu berücksichtigen (vgl. § 11a Abs. 1 Nr. 7).
Rz. 17
Weitere Einnahmen, die von der Berücksichtigung als Einkommen freigestellt werden, können sich aus der Rechtsverordnung nach § 13 Abs. 1 ergeben (zur Ermächtigung vgl. die Komm. zu § 13). Dort kann auch geregelt werden, wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist. Seit dem 1.1.2023 gilt die Bürgergeld-V i. d. F. der 11. ÄndVO v. 13.2.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 38). Zur Anrechnungsfreiheit von Beihilfen und Unterstützungsleistungen aufgrund der Corona-Pandemie vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 10, 13 bis 14 und 15 Bürgergeld-V.
Rz. 18
Auch die vereinnahmte Umsatzsteuer ist als Einkommen zu berücksichtigen, wenn sie nicht im Laufe des Bewilligungsabschnitts als notwendige Betriebsausgabe gezahlt wurde. Allein die Fälligkeit einer Umsatzsteuer führt nicht zu einem Absetzbetrag im aktuellen Bewilligungsabschnitt (BSG, Urteil v. 22.8.2013, B 14 AS 1/13 R).
2.4.2 Darlehen, die keine Sozialleistungen sind
Rz. 19
Umgekehrt sind z. B. auch Ausgaben von Personen, die selbständig erwerbstätig sind, bzw. Ausgaben eines Gewerbebetriebes bzw. eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft nicht als Betriebsausgaben von den Einnahmen abzusetzen, wenn sie aus Darlehen finanziert worden sind oder für sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gewährt wurden (vgl. § 3 Bürgergeld–V).
2.4.3 (Nicht) Bereite Mittel
Rz. 20
Die Rechtsprechung des BSG zum Institut des bereiten Mittels gilt auch nach der Neuregelung der Vorschriften über die Berücksichtigung von Einkommen nach §§ 11 ff. (LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 20.8.2014, L 4 AS 273/14 B ER). Das LSG weist auf eine andere Rechtsauffassung des LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil v. 3.2.2014 (L 15 AS 437/13 B ER) hin.
Rz. 21
Bereite Mittel entstehen z. B. durch die Möglichkeit der Realisierung eines höheren Nettoeinkommens, indem eine günstigere Steuerklasse gewählt wird. Kommt der erwerbstätige Hilfebedürftige einer Aufforderung zur Steuerklassenänderung nicht nach, kann das Bürgergeld deshalb nicht wegen fehlender Mitwirkung versagt oder entzogen werden.
Rz. 22
Das Risiko einer Steuernachzahlung aufgrund einer Steuerklassenänderung oder eines Steuerklassenwechsels trifft den Hilfebedürftigen nicht wirklich, weil die Steuernachzahlung vom Einkommen abgesetzt werden kann (vgl. zu diesem Problemfeld BT-Drs. 16/10047 S. 21).
Rz. 23
Bei dem Gewinn aus einer aufgelösten Ansparrücklage i. S. d. § 7g EStG kann es sich um Arbeitseinkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit handeln, das zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit eingesetzt werden muss, wenn hieraus bereite Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts resultieren (BSG, Urteil v. 21.6.2011, B 4 AS 21/10 R). Für Zeiten vor dem 1.10.2005 ist die aufgelöste Ansparrücklage hingegen ggf. als Vermögen zu berücksichtigen (BSG, Urteil v. 21.6.2011, B 4 AS 22/10 R).
Rz. 24
Reicht der Kindergeldberechtigte Kindergeld beim echten Wechselmodell mit etwa hälftigem Aufenthalt des Kindes bei jedem Elternteil ohne rechtliche Verpflichtung an den anderen Elternteil weiter, ist das Kindergeld gleichwohl als bereites Mittel in der kindergeldberechtigten Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen, soweit das Kindergeld zur Deckung des Bedarfes des Kindes benötigt wird (SG Dresden, Urteil v. 12.12.2016, S 3 AS 1751/14).
Rz. 25
Zu bereiten Mitteln gehören auch Zahlungseingänge, soweit sie nicht als rückzahlbare Darlehen, sondern als private Unterstützungsleistungen oder Schenkungen zu qualifizieren sind. Darlehen i. S. v. § 488 BGB sind von Rechts wegen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, als bereite Mittel könnten sie ebenfalls zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung gestellt werden.
Rz. 26
Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten jedenfalls bei einem bestimmten wirtschaftlichen Verhalten, etwa dem sukzessiven Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen ganz oder teilweise abzuwenden gewesen wäre, hält das BSG für nicht mit Art. 1, Art. 20 GG vereinbar (unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss v. 12.5.2005, 1 BvR 569/05). Diesem Gedanken folge das gesetzgeberische Grundprinzip, dass Einkommen tatsächlich geeignet sein muss, die bestehende Hilfebedürftigkeit ganz oder teilweise zu beseitigen (BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 14 AS 76/12 R, unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 29.11.2012, B 14 AS 33/12 R). Dem dürfte nicht entgegenzuhalten sein, dass der vorzeitige Verbrauch laufender Einnahmen einen nachträglich höheren Leistungsanspruch im Monat des Zuflusses ebenfalls nicht zu begründen vermöge und in die...