Rz. 20
Die Rechtsprechung des BSG zum Institut des bereiten Mittels gilt auch nach der Neuregelung der Vorschriften über die Berücksichtigung von Einkommen nach §§ 11 ff. (LAG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 20.8.2014, L 4 AS 273/14 B ER). Das LSG weist auf eine andere Rechtsauffassung des LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil v. 3.2.2014 (L 15 AS 437/13 B ER) hin.
Rz. 21
Bereite Mittel entstehen z. B. durch die Möglichkeit der Realisierung eines höheren Nettoeinkommens, indem eine günstigere Steuerklasse gewählt wird. Kommt der erwerbstätige Hilfebedürftige einer Aufforderung zur Steuerklassenänderung nicht nach, kann das Bürgergeld deshalb nicht wegen fehlender Mitwirkung versagt oder entzogen werden.
Rz. 22
Das Risiko einer Steuernachzahlung aufgrund einer Steuerklassenänderung oder eines Steuerklassenwechsels trifft den Hilfebedürftigen nicht wirklich, weil die Steuernachzahlung vom Einkommen abgesetzt werden kann (vgl. zu diesem Problemfeld BT-Drs. 16/10047 S. 21).
Rz. 23
Bei dem Gewinn aus einer aufgelösten Ansparrücklage i. S. d. § 7g EStG kann es sich um Arbeitseinkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit handeln, das zur Überwindung der Hilfebedürftigkeit eingesetzt werden muss, wenn hieraus bereite Mittel zur Sicherung des Lebensunterhalts resultieren (BSG, Urteil v. 21.6.2011, B 4 AS 21/10 R). Für Zeiten vor dem 1.10.2005 ist die aufgelöste Ansparrücklage hingegen ggf. als Vermögen zu berücksichtigen (BSG, Urteil v. 21.6.2011, B 4 AS 22/10 R).
Rz. 24
Reicht der Kindergeldberechtigte Kindergeld beim echten Wechselmodell mit etwa hälftigem Aufenthalt des Kindes bei jedem Elternteil ohne rechtliche Verpflichtung an den anderen Elternteil weiter, ist das Kindergeld gleichwohl als bereites Mittel in der kindergeldberechtigten Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen, soweit das Kindergeld zur Deckung des Bedarfes des Kindes benötigt wird (SG Dresden, Urteil v. 12.12.2016, S 3 AS 1751/14).
Rz. 25
Zu bereiten Mitteln gehören auch Zahlungseingänge, soweit sie nicht als rückzahlbare Darlehen, sondern als private Unterstützungsleistungen oder Schenkungen zu qualifizieren sind. Darlehen i. S. v. § 488 BGB sind von Rechts wegen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, als bereite Mittel könnten sie ebenfalls zur Deckung des Lebensunterhaltes zur Verfügung gestellt werden.
Rz. 26
Die Verweigerung existenzsichernder Leistungen aufgrund einer unwiderleglichen Annahme, dass die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten jedenfalls bei einem bestimmten wirtschaftlichen Verhalten, etwa dem sukzessiven Verbrauch der einmaligen Einnahme in bestimmten monatlichen Teilbeträgen ganz oder teilweise abzuwenden gewesen wäre, hält das BSG für nicht mit Art. 1, Art. 20 GG vereinbar (unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss v. 12.5.2005, 1 BvR 569/05). Diesem Gedanken folge das gesetzgeberische Grundprinzip, dass Einkommen tatsächlich geeignet sein muss, die bestehende Hilfebedürftigkeit ganz oder teilweise zu beseitigen (BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 14 AS 76/12 R, unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 29.11.2012, B 14 AS 33/12 R). Dem dürfte nicht entgegenzuhalten sein, dass der vorzeitige Verbrauch laufender Einnahmen einen nachträglich höheren Leistungsanspruch im Monat des Zuflusses ebenfalls nicht zu begründen vermöge und in diesem Fall neben der Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen (vgl. § 24 Abs. 2) nur eine darlehensweise Leistungsgewährung in Betracht kommen soll. Im entschiedenen Verfahren war nicht darüber zu entscheiden, inwieweit der Verbrauch laufender Einnahmen vor Ablauf des Monats, in dem sie zugeflossen sind, als wesentliche Änderung i. S. d. § 48 SGB I anzusehen ist und deshalb nachträglich Leistungsansprüche entstehen würden. Denn in dem zu entscheidenden Sachverhalt stand die Erbschaft schon zu Beginn des im Streit stehenden Bewilligungszeitraums nicht mehr zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung. In solcher Lage ist dem BSG zufolge für eine darlehensweise Leistungsgewährung schon im Ansatz kein Raum. Leistungen aus einer Erbschaft stehen dem Leistungsberechtigten erst nach tatsächlicher Auszahlung auch als bereites Mittel zur Verfügung und können nicht schon zuvor als Einkommen berücksichtigt werden (BSG, Urteil v. 17.2.2015, B 14 KG 1/14 R). Die Jobcenter müssen betroffene Personen ggf. in Bezug auf ein sachgemäßes Vorgehen gegen den Testamentsvollstrecker beraten und unterstützen. Trotz angeordneter Testamentsvollstreckung kann der Leistungsberechtigte ggf. über den zustehenden Erbteil noch nicht verfügen. Das kann z. B. dann zutreffen, wenn der Testamentsvollstrecker den Stamm des Erbes erhalten und dem Erben aus den Erträgen des Erbes dauerhaft Zuwendungen gewähren soll (so im entschiedenen Fall). Zu einem anderen Verhalten muss der Erbe den Testamentsvollstrecker ggf. gerichtlich zwingen. Erbschaften werden seit dem 1.7.2023 nicht mehr als Einkommen berücksichtigt (§ 11a Abs. 1 Nr. 7).
Rz. 27
Es verstößt nicht gegen die Grundsätze zum bereiten Mittel, dass das zu berücksichtigendes Arbeitsentgelt nicht um Darlehens...