Rz. 48
Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege, die dem gleichen Zweck dienen wie die Grundsicherungsleistungen, wurden nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Bürgergeld–V ab 1.1.2008 von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen. Seit dem 1.1.2011 sind Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege von der Berücksichtigung als Einkommen unabhängig von dem Zweck der Leistungen ausgenommen. Entscheidend ist vielmehr die Folge der Leistungserbringung für die Bestreitung des Lebensunterhaltes des Empfängers. Geldwerte Zuwendungen, die nicht im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen gewährt werden, sowie nicht geldwerte Leistungen sind ohnehin von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1).
Rz. 49
Die Regelung des Abs. 4 korrespondiert mit § 17 Abs. 1. Wohlfahrtspflege stellt vorbeugende oder abhelfende Betreuung und Hilfeleistung für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete, notleidende oder sonst sozial benachteiligte Personen dar, die über die Ziele einer bloßen Selbsthilfeorganisation hinausgehen, und planmäßig ohne Gewinnerzielungsabsicht neben dem Staat und öffentlichen Trägern geleistet werden. Zur freien Wohlfahrtspflege gehören die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und Bedürftige, insbesondere Gefährdete und Behinderte betreuende Vereinigungen (z. B. Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Diakonisches Werk, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Deutsches Rotes Kreuz, Malteser Hilfsdienst, Kirchen, Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts, die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden sowie Personen und Stellen, die freie Wohlfahrtspflege tatsächlich betreiben, etwa Vereine für Blinde), vgl. § 5 SGB XII. Die Betreuten müssen nicht der betreuenden Vereinigung angehören. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege bleiben regelmäßig berücksichtigungsfrei, insbesondere auch Lebensmittelspenden bei "Tafeln" und Möbelspenden). Die Anwendung der Regelung ist aber von einer Rechtfertigungsprüfung, der sog. Gerechtfertigkeitsprüfung, abhängig, die das Recht ohne die Ausübung von Ermessen ausführt. Durch die Zuwendungen als Ergänzung zur Sozialleistung zum Wohle des Leistungsberechtigten und nicht als Gegenleistung, also dem Zweck der Zuwendung, wird die Lage des Empfängers nur in Ausnahmefällen so günstig beeinflusst, dass Leistungen nach dem SGB II daneben nicht mehr gerechtfertigt wären. Von daher ist die Regelung eher großzügig auszulegen. Der Wert und die Häufigkeit der Zuwendungen (vgl. BT-Drs. 17/3404) geben das im Regelfall nicht her. Das kann sich mit zunehmender Höhe der Zuwendung ändern. Im Zweifel hat das Jobcenter den Nachweis darüber zu führen, dass ein so begünstigender Einfluss gegeben ist, dass daneben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder zur Eingliederung in das Erwerbsleben nicht mehr gerechtfertigt sind. Die persönliche Situation der begünstigten Person ist einzubeziehen, auch hinsichtlich Art, Wert, Umfang und Häufigkeit der Zuwendung kommt keinem Punkt besonderes Gewicht zu. Entscheidend ist, ob sich die konkrete Leistung nach dem SGB II und die im Einzelfall zusätzlich erbrachte Zuwendung gegenseitig so verstärken, dass eine Überkompensation eintritt. Eine ggf. auch nur teilweise Berücksichtigung soll in Betracht kommen, wenn der Lebensunterhalt in ganz erheblichem Umfang sichergestellt ist und der Effekt der Zuwendung durch ihre Anrechnung nicht verloren geht (vgl. BT-Drs. 19/484). Die Angebote der Freien Wohlfahrtspflege richten sich an Kinder und Jugendliche, Mütter, Ehe und Familie, alte Menschen, Kranke, Migranten. Auch Dienste für behinderte Menschen werden angeboten. Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege beruhen nicht auf einer rechtlichen Verpflichtung, sondern stellen freiwillige Leistungen dar. Sie werden insbesondere nicht als Gegenleistung für eine Verpflichtung aus einem Austauschvertrag erbracht. Das kann auch für sog. Motivationsprämien zutreffen. Es sind stets alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Ohne Bedeutung ist aber, ob den Träger eine rechtliche oder sittliche Verpflichtung trifft.
Abs. 4 kann im Einzelfall als verfahrenstechnisches Vorgehen auch eingreifen, wenn es wegen Überschreitung des persönlichen Vermögensfreibetrages nach Abs. 5 Nr. 1 ggf. zu einer Anrechnung von Zuwendungen käme.