Rz. 50
Zuwendungen Dritter, die ohne rechtliche und sittliche Verpflichtung Leistungsberechtigten zugutekommen, werden nach Abs. 5 Nr. 1 nicht als Einkommen berücksichtigt, soweit die Berücksichtigung für den Empfänger grob unbillig wäre. Darunter fallen für das SG Karlsruhe auch Trinkgelder für eine Frisöse (SG Karlsruhe, Urteil v. 30.3.2016, S 4 AS 2297/15; a. A. SG Landshut, Urteil v. 27.9.2017, S 11 AS 261/16). Nach Auffassung des BSG ist die Berücksichtigung des Trinkgeldes bei der Berechnung des Bürgergeldes nicht grob unbillig i. S. v. Abs. 5 Nr. 1. Das soll demnach nur dann der Fall sein, wenn die Berücksichtigung des zugewendeten Betrages ohne Rücksicht auf dessen Höhe nicht akzeptabel wäre und die Zuwendung erkennbar nicht auch zur Deckung des physischen Existenzminimums verwendet werden soll. Vorausgesetzt wird dabei, dass ein anderer objektivierbarer Zuwendungszweck gegeben ist, der konterkariert würde, wenn die Zuwendung zugleich zur Sicherung des Lebensunterhalts eingesetzt werden müsste. Dies ist dem BSG zufolge beim Trinkgeld nicht der Fall (vgl. aber unter Abs. 5 Nr. 2).
Grobe Unbilligkeit als unbestimmter Rechtsbegriff ist gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar. Das wird häufig der Fall sein, wenn die Zuwendung eine Ergänzung zum Bürgergeld darstellt und nicht zur Deckung des physischen Existenzminimums vorgesehen ist. Auf die Verhältnisse der zuwendenden Person kommt es nicht an. Eine grobe Unbilligkeit soll aber z. B. nicht bei einer Zuwendung von 5.000,00 EUR an den Sohn zur Beschaffung eines PKW vorliegen (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 12.12.2013, L 8 AS 9/13 B ER). Weitere Voraussetzung dürfte sein, dass die Zuwendung voraussichtlich eingestellt würde, wenn sie auf die Grundsicherungsleistung angerechnet würde, weil sie dann ihre Zweckbestimmung nicht mehr erreichen könnte. Das kann z. B. der Fall sein, wenn Verwandte Tilgungsleistungen zur Erhaltung eines angemessenen Immobilienbesitzes (Eigentumswohnung o. ä.) direkt an die Gläubigerbank erbringen. Die Tilgung stellt eine Ergänzung der Grundsicherungsleistung dar, die zugleich nicht für den Lebensunterhalt nutzbar gemacht werden kann. Werden nur Mindestbeträge als Zuwendung erbracht, kann Abs. 5 Nr. 1 ebenfalls erfüllt sein. Unterhaltsleistungen aufgrund einer bestehenden Unterhaltspflicht und Leistungen aus vertraglicher Verpflichtung werden nicht ohne Rechtspflicht erbracht. Abs. 5 Nr. 1 betrifft außerdem z. B. Soforthilfen bei Katastrophen, gesellschaftliche Preise zur Ehrung von Zivilcourage, Ehrengaben aus öffentlichen Mitteln (z. B. bei Alters- oder Ehejubiläum, Lebensrettung), Spenden aus Tombolas für bedürftige Menschen, insbesondere in der Vorweihnachtszeit. Auch die teilweise erbrachten "Begrüßungsgelder" für Neugeborene fallen unter Abs. 5 Nr. 1. Ebenso sind Entschädigungen nicht zu berücksichtigen, die an Blut- bzw. Plasmaspender gewährt werden. Auch Leistungen aus Härtefonds an NS-Verfolgte sind privilegiert. Durch die Nichtberücksichtigung als Einkommen kann aber der Bedarf für die Erstausstattung bei Geburt nach § 24 ganz oder teilweise gedeckt sein. Abs. 5 Nr. 1 betrifft häufiger auch Leistungen, die sich auf eine erbrachte Gegenleistung des Betroffenen, etwa für die gesamte Gesellschaft, beziehen. Eine rechtliche Pflicht ergibt sich stets aus einem Gesetz, aus dinglichen Rechten, aus Gewohnheitsrecht oder aus betrieblicher Übung. Die Vermutung nach § 9 Abs. 5 stellt keine rechtliche Verpflichtung dar. Ob eine sittliche Pflicht vorliegt, wird häufig nicht konkret zu beurteilen sein. Nächstenliebe allein genügt für die Annahme einer sittlichen Pflicht nicht. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalles, teilweise kann auf die Üblichkeit der Leistungserbringung abgestellt werden. Allerdings widerspricht das BSG allein allgemeinen Gesichtspunkten sittlicher Erwägungen (BSG, Urteil v. 17.3.2005, B 7a/7 AL 4/04 R).
Rz. 50a
Die Bundesregierung hat darauf aufmerksam gemacht, dass von Abs. 5 Nr. 1 persönliche Situationen von Berechtigten erfasst werden sollen, in denen eine Berücksichtigung des zugewendeten Betrages unabhängig von ihrer Höhe nicht akzeptabel wäre und die Zuwendung erkennbar nicht auch zur Deckung des physischen Existenzminimums verwendet werden soll. Bedürftigkeitsaspekte werden in Zusammenhang mit der Zuwendung stehen. Im Sinne einer Nichtprüfungsgrenze unterbleibt eine Anrechnung grundsätzlich bei Zuwendungen bis zum persönlichen Vermögensfreibetrag. Bei Überschreitung ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles eine mögliche Anrechnung des übersteigenden Betrages zu prüfen. Zu diesen Aspekten gehöre auch der Anlass der Zuwendungen (vgl. BT-Drs. 19/484). Eine alternative Möglichkeit bei Überschreiten des persönlichen Freibetrages bestehe darin, die privaten Spenden durch einen Träger der freien Wohlfahrtspflege entgegenzunehmen und dann an den Berechtigten weiterleiten zu lassen.
Rz. 50b
Die Deutsche Bischofskonferenz hat eine Ordnung für das Verfahren zur Festsetzun...