2.1 Begriff und Abgrenzung
2.1.1 Vermögen nach § 12
Rz. 3
Zum Vermögen gehören Geld und Geldeswerte, Sachen, Forderungen und Rechte. Darunter fallen insbesondere gesetzliche Zahlungsmittel und Schecks, bebaute und unbebaute Grundstücke, bewegliche Vermögensgegenstände, Rechte aus Wechseln, Aktien, Grundschulden, Dienstbarkeiten, Nießbrauch. Auch selbstgeschaffene Kunstwerke stellen Vermögen dar (BSG, Urteil v. 23.11.2006, B 11b AS 3/05 R). Grundsätzlich kommen auch durchsetzbare Rückübertragungsansprüche nach § 528 BGB (verschenktes Vermögen eines verarmten Schenkers) in Betracht. Entscheidend ist der wirtschaftliche Wert, der einer Sache oder einem Recht zu Beginn des maßgebenden Hilfebedürftigkeitszeitraumes zukommt, das dürfte regelmäßig der Anspruchsbeginn sein. Mangelt es an der gesetzlich vorgesehenen notariellen Beurkundung eines Grundstückübertragungsvertrages, weil die Eigentumsübertragung an einem Hausgrundstück nur mündlich vereinbart wurde, ist der Vertrag rechtswidrig. Der daraus resultierende Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB wird vom LSG Rheinland-Pfalz als Vermögen angesehen (Urteil v. 31.5.2011, L 3 AS 147/09). Die Herkunft von Vermögen ist grundsätzlich nicht relevant, insofern ist im Einzelfall die Ausnahme der Unwirtschaftlichkeit bzw. besonderen Härte zu prüfen, bei der die Herkunft des Vermögens berücksichtigt werden kann.
Rz. 3a
Eine Forderung auf vorzeitige Rückzahlung eines einem Dritten gewährten Darlehens kann verwertbares Vermögen sein, denn es kann gemäß § 490 Abs. 3 i. V. m. § 314 BGB aus wichtigem Grund vorzeitig gekündigt werden. Hilfebedürftigkeit, die ohne eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens eintritt, kann ein solcher Kündigungsgrund sein (Bay. LSG, Urteil v. 12.8.2013, L 7 AS 233/13).
Vermögen i. S. d. Abs. 1 Satz 1 ist die Gesamtheit der Aktiva, nicht aber der Saldo aus Aktiva und Passiva. Vermögen ist deshalb generell und ohne Rücksicht auf Verbindlichkeiten und Belastungen zu erheben. Bei unmittelbar auf dem Vermögensgegenstand lastenden Verbindlichkeiten ist etwas anderes geboten, weil das Vermögen nicht ohne Abzüge verwertet werden kann.
Rz. 4
Automatisierte Abfragen über Kontostände von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und Empfängern von Sozialgeld sind rechtlich nicht zulässig. Nach dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit sind jedoch automatisierte Abfragen möglich, die auf vorhandene Konten und Depots und das dazugehörige Kreditinstitut ausgerichtet werden. Dieses Gesetz ist jedoch auf die Leistungsbezieher nach dem SGB II nicht anwendbar, da durch die beiden Gesetze kein übereinstimmender Einkommensbegriff geschaffen wurde.
Rz. 4a
Gewinne aus der Auflösung einer Ansparrücklage i. S. v. § 7g EStG kann Arbeitseinkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit darstellen, das auch zur Überwindung von Hilfebedürftigkeit eingesetzt werden kann. Bei dem Gewinn fließt dem Leistungsberechtigten Einkommen, nicht aber Vermögen, zu (BSG, Urteil v. 21.6.2011, B 4 AS 21/10 R).
Rz. 4b
Zahlungen aus einem Versicherungsvertrag als Ersatzleistung, z. B. für eine gestohlene Sache, stellen keinen Wertzuwachs dar, sind allerdings dem Vermögen und nicht dem Einkommen zuzurechnen.
Rz. 4c
Für einen Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt ist als verwertbares Vermögen auch ein nach Ausreise aus der Schweiz bar auszahlbares Guthaben auf einem Freizügigkeitskonto relevant (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.7.2015, L 1 AS2015/14). Nach Auffassung des LSG wird dadurch Verfassungsrecht nicht verletzt.
Rz. 4d
Eine an sich als Einkommen zu berücksichtigende Einnahme (Urlaubsabgeltung als einmalige Einnahme) ist nicht deshalb als Vermögen anzusehen, weil sie in einem Monat zufließt, für den Bedürftigkeit wegen der Erzielung von Erwerbseinkommen nicht vorliegt (Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit) und bereits feststeht, dass zu Beginn des folgenden Monats wieder Hilfebedürftigkeit vorliegen wird (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 27.4.2016, L 13 AS 172/13, unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 10.9.2013, B 4 AS 89/12 R).
Rz. 5
Im Rahmen der Stiftung "Hilfswerk für behinderte Kinder" sollen contergangeschädigten Menschen Leistungen ungeschmälert zugute kommen. Leistungen, die nach Ablauf des Zuflussmonats nicht verbraucht sind, werden deshalb nicht als Vermögen berücksichtigt. Damit wird dem entschädigungsrechtlichen Charakter der Leistungen sowohl bei laufender als auch kumulierter Zahlung Rechnung getragen. Die Begünstigung gilt nicht für Kapitalerträge.
Rz. 6
Eine sorgfältige Prüfung ist bei Existenz von Treuhandkonten erforderlich. Grundsätzlich muss sich ein Treuhänder, der ein Treuhandkonto verdeckt führt, sich dieses als sein Privatkonto zurechnen lassen, weil er dann, wenn er den Rechtsschein der Vermögensinhaberschaft erzeugt, sich auch von den Grundsicherungsstellen daran festhalten lassen muss. In solchen Fällen wird der Grundsatz, dass ein Arbeitsloser sich nicht an dem Rechtsschein festhalten lassen muss, durchbrochen. Deshalb kommt es wesentlich darauf an, ein Treuhandkonto als solches nach außen entsprechend zu kennze...