Rz. 105
D
Abs. 2 enthält den gebündelten, bis 31.12.2022 in Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 bzw. Nr. 1a und Nr. 4 geregelten Freibetrag vom Vermögen. Er umfasst 15.000,00 EUR, der für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft von dem zu berücksichtigenden Vermögen abzusetzen ist. In der Gesetzesbegründung zum Bürgergeld-Gesetz wird dargestellt, dass damit eine deutliche Erhöhung der bis zum 31.12.2022 geltenden Freibeträge verbunden ist (vgl. BT-Drs. 20/3873).
Übersteigt das Vermögen einer Person in der Bedarfsgemeinschaft den Betrag nach Satz 1, sind nicht ausgeschöpfte Freibeträge der anderen Personen in der Bedarfsgemeinschaft auf diese Person zu übertragen.
Rz. 106
Die Vorschrift findet allerdings erst Anwendung, wenn die Bedarfsgemeinschaft nach Ablauf der Karenzzeit nach Abs. 3 von 2 Jahren mit den Regelungen zur Berücksichtigung von Vermögen nach Abs. 4 noch Leistung beansprucht, weil Hilfebedürftigkeit fortbesteht.
Rz. 107
Mit Anwendung der Freibeträge nach Abs. 2 wird die Berücksichtigung von Vermögen verschärft, weil die für die Bedarfsgemeinschaft günstigeren Vorschriften über das erhebliche Vermögen nach Abs. 4 ausgelaufen sind.
Rz. 108
Der Freibetrag von 15.000,00 EUR wird jeder Person eingeräumt, die zur Bedarfsgemeinschaft gehört (vgl. § 7 Abs. 3). Alle anderen Personen, die ggf. noch zu demselben Haushalt gehören oder sonst mit der Bedarfsgemeinschaft "unter einem Dach" wohnen, gehen dagegen leer aus, es sei denn, durch diese Personen werden eine oder mehrere weitere Bedarfsgemeinschaften begründet. Für eine hilfebedürftige Familie mit einem Ehepaar und 2 Kindern, die eine Bedarfsgemeinschaft bildet, wird also ein Freibetrag von 4 x 15.000,00 EUR zugrunde gelegt, insgesamt 60.000,00 EUR.
Rz. 109
Der Freibetrag nach Abs. 2 wird unabhängig vom Alter der Personen eingeräumt. Es kommt auch nicht darauf an, ob Erwerbsfähigkeit der Leistungsberechtigten besteht, mindestens eine Person in der Bedarfsgemeinschaft muss zur Begründung deren Existenz auf jeden Fall erwerbsfähig sein.
Rz. 110
§ 9 Abs. 5 (Vermutung der Leistungsgewährung an die Bedarfsgemeinschaft) bleibt insoweit unberührt. Vgl. insoweit die Komm. zu § 9.
Rz. 111
Abs. 2 Satz 2 gestattet die Übertragung nicht benötigter Freibeträge oder Freibetragsreste auf andere Personen in der Bedarfsgemeinschaft, deren Vermögen auch nach Ausschöpfung der Möglichkeiten nach Abs. 1 Satz 2 und der Bürgergeld-V den Freibetrag nach Abs. 2 übersteigt.
Rz. 112
Das kann mitunter zu komplizierten Sachverhaltsfeststellungen der Jobcenter führen, z. B., wenn das nach Anwendung des Abs. 1 Satz 2 noch zu berücksichtigende Vermögen kleiner Kinder festgestellt werden muss, um den Freibetragsrest für die Übertragung auf einen oder beide Elternteile zu ermitteln. Im Ergebnis aber kann durch die Übertragungsmöglichkeit stets der maximal mögliche Freibetrag ausgeschöpft werden. Zu einer Berücksichtigung von Vermögen kommt es nur, wenn die Bedarfsgemeinschaft insgesamt über ein höheres zu berücksichtigendes Vermögen oberhalb des maximalen Freibetrages verfügt.
Rz. 113
Nach Auffassung des SG Heilbronn liegt ein sozialwidriges Verhalten nicht ohne weiteres vor, wenn ein Leistungsberechtigter einen Teil einer Erbschaft (vor dem Leistungsbezug) u. a. für Nachtclubtänzerinnen und Partnervermittlungen ausgegeben hat, wenn sich die Ausgaben außerhalb der Bestreitung des Lebensunterhaltes im Rahmen des Vermögensfreibetrages nach Abs. 2 bewegen, über den der Leistungsberechtigte auch während eines Leistungsbezuges hätte frei verfügen können (SG Heilbronn, Urteil v. 24.7.2014, S 9 AS 217/12). Ab 1.1.2023 ist in solchen Fällen § 11a Abs. 1 Nr. 7 zu berücksichtigen.
Rz. 114
Bei einer Erhöhung des Vermögenswertes im Verlauf des Bewilligungszeitraumes wirkt sich dies nur auf die Monate aus, in denen der Vermögensfreibetrag tatsächlich überschritten wird. Tritt Hilfebedürftigkeit ein, weil durch Tilgung von Schulden der Vermögenswert gesunken ist, ist dem Leistungsberechtigten bei nachträglicher Betrachtung, die Leistung für die folgende Zeit zu belassen (Bay. LSG, Urteil v. 23.7.2015, L 11 AS 681/14).
Rz. 115
Einen Vermögensgrundfreibetrag von 20.000,00 EUR für jedes Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft unabhängig vom Lebensalter hat der Deutsche Bundestag noch in der 16. Legislaturperiode abgelehnt (vgl. BT-Drs. 16/11978).
Rz. 115a
Die Erhöhung des Schonvermögens zum 1.1.2023 und der Bewertung des Vermögens beim seit 1.1.2023 geltenden Bürgergeld können dazu führen, dass ein Antragsteller, der Verfahrenskostenhilfe (im entschiedenen Verfahren für ein Scheidungsverfahren) beantragt hat, nicht gehalten ist, seinen Pkw zu verkaufen und sich als Ersatz einen besonders günstigen Kleinwagen anzuschaffen (OLG Nürnberg, Beschluss v. 13.6.2023, 9 WF 467/23).