Rz. 94
Abs. 3 Satz 3 a. F. regelt noch bis zum 30.6.2023 den Fall, dass eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt. Nach Auffassung des LSG Rheinland-Pfalz hat das Jobcenter darüber eine Ermessensentscheidung zu treffen (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 24.2.2014, L 6 AS 73/14 B ER). Die Zulässigkeit, eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt zu erlassen, ergibt sich aus der Ablehnung des Leistungsberechtigten zum Abschluss einer Vereinbarung (LSG Hessen, Beschluss v. 16.1.2014, L 9 AS 846/13 B ER). Diese muss allerdings den gesetzlichen Anforderungen genügen. Bei fehlender Ermessensausübung ist danach die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.
Rz. 95
Sind einzelne Regelungen der Eingliederungsvereinbarung rechtswidrig, ist die aufschiebende Wirkung einer "Vereinbarung" i. S. v. Abs. 3 Satz 3 a. F. insgesamt anzuordnen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 4.4.2012, L 15 AS 77/12 B ER). Das Jobcenter hat die Möglichkeit, die Rechtswidrigkeit zum Anlass zu nehmen, eine Änderung der Eingliederungsvereinbarung einzufordern und dazu erneut in Verhandlungen mit dem Leistungsberechtigten einzutreten. Eine neue Eingliederungsvereinbarung ist wiederum mit dem kommunalen Träger abzustimmen. Zu unterlassende Leistungsminderungen können damit nicht erreicht werden (Bay. LSG, Beschluss v. 20.12.2012, L 7 AS 862/12 B ER). Das Verlangen nach 3 Eigenbemühungen monatlich ist nicht zu beanstanden. Nach dem Grundsatz des Förderns und Forderns muss der ersetzende Verwaltungsakt konkrete und bestimmbare Pflichten beider Vertragspartner beeinhalten. Die abverlangten Eingliederungsbemühungen müssen nach Art, Umfang, Zeit und Ort so konkret sein, dass der Leistungsberechtigte die verlangte Handlung ohne Weiteres feststellen kann (LSG Sachsen, Beschluss v. 12.11.2015, L 7 AS 889/15 B ER).
Das LSG sieht zur Frage der zulässigen Anwendung des Abs. 3 Satz 3 a. F. eine uneinheitliche Rechtsprechung des BSG. Der 14. Senat des BSG sehe einen Vorrang der konsensualen Lösung durch Vereinbarung vor einer hoheitlichen Maßnahme (BSG, Urteil v. 14.2.2013, B 14 AS 195/11 R), der 4. Senat des BSG hingegen die Alternative des Abs. 3 Satz 3 a. F. schon dann, wenn dem Jobcenter als der besser geeignete Weg erscheine (BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 4 AS 13/09 R). Abs. 3 Satz 3 a. F. könne jedenfalls angewendet werden, wenn der Leistungsberechtigte eine Eingliederungsvereinbarung mit vergleichbarem Inhalt ablehne, der Verwaltungsakt müsse jedoch mit einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung für den Fall eines Pflichtverstoßes versehen sein (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.8.2013, L 7 AS 1398/13 B ER). Der Betroffene müsse schlüssig nachvollziehen können, was von ihm erwartet wird und welche Konsequenzen sich aus einer Pflichtverletzung ergeben. Das Gesetz regelt nicht eindeutig den Vorrang einer konsensualen Eingliederungsvereinbarung. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich ein solcher Vorrang jedoch, weil es der freiwilligen Mitwirkung des Leistungsberechtigten an der Integrationsarbeit bedarf, wenn die Hilfebedürftigkeit in möglichst kurzer Zeit durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit entscheidend vermindert oder ganz beseitigt werden soll. Liegt eine konsensuale Eingliederungsvereinbarung vor, darf ein Eingliederungsverwaltungsakt erst erlassen werden, wenn die Vereinbarung gekündigt wurde (Bay. LSG, Beschluss v. 17.3.2017, L 11 AS 192/17 B ER).
Rz. 96
An einen Verwaltungsakt nach Abs. 3 Satz 3 a. F. ist das Jobcenter für den Zeitraum, für den es die Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt erlassen hat, auch selbst gebunden. Eine Abänderung des eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes während dessen Geltungszeitraums durch einen weiteren Bescheid i. S. des Abs. 3 Satz 3 a. F. ist nur unter Beachtung der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB X zulässig (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 2.8.2011, L 7 AS 2367/11 ER-B). Weitere Pflichten können dem Leistungsberechtigten nur auferlegt werden, indem der Verwaltungsakt nach den im Sozialrecht geltenden Vorschriften aufgehoben und geändert oder durch einen gänzlich neuen Verwaltungsakt ersetzt wird (§§ 44ff. SGB X). Dafür wird i. d. R. eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen erforderlich sein (vgl. SG Potsdam, Beschluss v. 27.6.2012, S 8 AS 1539/12 ER; ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 2.8.2011, L 7 AS 2367/11 ER B). Schon für die Eingliederungsvereinbarung gelte nach überwiegender Auffassung, dass eine Anpassung nur bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse i. S. d. § 59 Abs. 1 SGB X verlangt werden könne. Das ist z. B. der Fall, wenn sich der Eingliederungsverwaltungsakt in Teilen als rechtswidrig erweist.
Rz. 97
Ein vor dem 1.7.2023 erlassener Verwaltungsakt nach Abs. 3 Satz 3 a. F. ist rechtswidrig, wenn er den Nachweis einer konkreten Anzahl an Bewerbungen fordert, ohne die Kostenerstattung zu regeln (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 20.12.2012, L 7 AS 2193/12 B ER, L 7 AS 2194/...