Rz. 16
Die wirtschaftliche Tragfähigkeit der (beabsichtigten) selbständigen Tätigkeit ist i. d. R. durch eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zu belegen. Dieser Begriff ist ursprünglich dem Recht der Arbeitsförderung über den Gründungszuschuss entnommen. Der Grundsicherungsträger ist nicht berechtigt, von der Vorlage einer externen Stellungnahme zur Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit abzusehen und dem Antragsteller die eigene (vermeintliche) Kompetenz bei der Beurteilung von Unternehmenskonzepten im Rahmen einer ablehnenden Entscheidung entgegenzuhalten (SG Nürnberg, Urteil v. 26.5.2020, S 13 AS 651/17).
§ 93 Abs. 2 Satz 2 SGB III nennt als fachkundige Stellen insbesondere die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, die berufsständischen Kammern, Fachverbände und Kreditinstitute. Die Aufzählung ist nicht abschließend. Fachkundige Stellen können auch Einrichtungen sein, deren Tätigkeitsschwerpunkt auf Existenzgründungsberatung und -vorbereitung ausgerichtet ist, z. B. lokale Gründungsinitiativen oder Gründungszentren. In Betracht kommen auch Wirtschaftsprüfer und Steuerberater (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 25.6.2013, L 2 AS 2249/12, ZFSH 2013 S. 713). Bereits vorhandene Stellungnahmen können berücksichtigt werden, ggf. sind Änderungen zu berücksichtigen, auch in Form einer neuen Tragfähigkeitsprüfung.
Rz. 17
Einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle sollte eine aussagefähige Beschreibung der selbständigen Tätigkeit mit der Geschäftsidee, den angebotenen Dienstleistungen oder vertriebenen Produkten sowie der Wettbewerbssituation zugrunde liegen. Daneben müssen die Finanzierungsgrundlagen erläutert und belegt sein. Dazu gehören Angaben zum Eigen- und Fremdkapital und Möglichkeiten zur Inanspruchnahme etwaiger anderweitiger Fördermittel einschließlich Investitions- und Tilgungsaufwand. Außerdem muss die Stellungnahme eine Einschätzung dazu abgeben, welche Umsätze realistischerweise erwartet werden können und welche Gewinne daraus voraussichtlich resultieren werden. Die Jobcenter schließen im Regelfall Rahmenverträge ab, um die Kostenfreiheit der Stellungnahme für die selbständige Person zu gewährleisten.
Rz. 18
Bei der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle handelt es sich um eine Sollvorschrift, die Abweichungen ermöglicht. Schon die Gesetzesbegründung selbst weist darauf hin, dass die Jobcenter und zugelassenen kommunalen Träger die Prognose über die wirtschaftliche Tragfähigkeit der selbständigen Tätigkeit auch selbst anstellen dürfen, sofern sie eine entsprechende fachliche Kompetenz aufgebaut haben.
Die anzustellende Prognose im Rahmen einer ex-ante-Betrachtung setzt eine Plausibilitätsprüfung eines schlüssigen Konzeptes in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit der Überwindung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit voraus (Bay. LSG, Urteil v. 11.11.2020, L 11 AS 411/20).
Rz. 18a
Dafür kommen z. B. die entsprechend befähigten Mitarbeiter der Agenturen für Arbeit in Betracht, die in den Jobcentern eingesetzt sind (§ 44g), denn sie haben im Zusammenhang mit dem Gründungszuschuss häufig ausreichende Kompetenzen aufgebaut. Der Gesetzgeber überlässt den Leistungsträgern selbst die Entscheidung. Hinsichtlich der Jobcenter ist die Trägerversammlung nach § 44c entscheidungsbefugt. Die Agentur für Arbeit hat im Rahmen ihrer Gewährleistungsverantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die notwendige Kompetenz im Jobcenter tatsächlich vorhanden ist. Problematisch ist die Frage, ob der selbständige Erwerbstätige gegenüber einer beratenden Stelle als Dritter die laufende Buchführung und die Geschäftsabschlüsse offenlegen muss. Nach Sinn und Zweck des Abs. 2 Satz 1 wird dies zu bejahen sein. Von daher kommt es im Prozess nicht darauf an, dass sich das Jobcenter zunächst die Unterlagen vorlegen lässt, um diese dann an einen Maßnahmeträger zur Bewertung weiterzureichen. Werden Träger für das Jobcenter tätig, benötigen diese keine Trägerzulassung, sie werden auch nicht über ein Gutscheinverfahren wie bei der beruflichen Weiterbildung ausgewählt. Neben den allgemeinen Grundlagen und Programmsätzen in den §§ 2, 3 ist hauptsächlich Abs. 3 Satz 1 dafür heranzuziehen, die Förderung von der Offenlegung der finanziellen Geschäftsverhältnisse auch gegenüber Dritten zu verlangen. Letztlich lässt sich nur dadurch eine positive Prognose herleiten, die eine Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verringerung von Hilfebedürftigkeit zum Gegenstand hat. Regelmäßig wird die Förderung nach § 16c aber auch mit entsprechenden Absprachen in einem Kooperationsplan nach § 15 einhergehen. Daher können die Jobcenter auch über den Kooperationsplan den Prozess in die gewünschte Richtung steuern. Dann kann die Ablehnung einer Maßnahme nach Abs. 2 Satz 1 auch zu einer Leistungsminderung führen, es sei denn, es handelt sich um die Unterstützung zur Beendigung der selbständigen Tätigkeit.
Rz. 19
Eine Stellungnahme der fachkundigen Stelle bindet die Grundsicherungsstelle nicht an eine bestimmte Entscheidung. Sie hat üb...