Rz. 6

Abs. 1 Satz 1 stellt die Aktivierung des Erwerbsfähigen und seiner Bedarfsgemeinschaft in den Mittelpunkt. Sie haben es zunächst selbst in der Hand, gegen ihre Hilfebedürftigkeit vorzugehen. Abs. 1 ist eine Grundsatznorm, jedoch kein eigenständiger Ausschlusstatbestand, der herangezogen werden könnte, um Leistungen nicht zu erbringen. Dabei spielt der Einsatz des Einkommens und Vermögens eine untergeordnete Rolle, weil dies ohnehin gesetzlich geregelt wird. Allerdings kann durch sparsame Wirtschaftsführung, die Verfolgung bestehender Ansprüche, das Wohnen zu angemessener Miete (ggf. nach der durch das Bürgergeld-Gesetz geschaffenen Karenzzeit) usw. im Rahmen von Zumutbarkeitsgrenzen den Eintritt von rechnerischer Hilfebedürftigkeit verhindern. Die Verpflichtung des § 2 greift erst unmittelbar durch, nachdem Hilfebedürftigkeit unter Berücksichtigung der §§ 11 bis 13 und der Bürgergeld-V bereits festgestellt ist. Handlungen zur Vermeidung oder Beseitigung von Hilfebedürftigkeit unterliegen stets den Grenzen des § 10. Von den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten wird stets erwartet, dass sie sich mit Engagement schon in ein Profiling einbringen, mit dem die individuelle Situation und die Chancen auf eine Eingliederung in das Erwerbsleben analysiert werden und der Kooperationsplan vorbereitet wird. Bei Unterhaltsansprüchen ist § 33 Abs. 2 zu beachten. Bestünde danach keine Hilfebedürftigkeit, gehörte die Bedarfsgemeinschaft nicht zum Berechtigtenkreis nach § 7. Allerdings hat der Gesetzgeber im Zuge der Weiterentwicklung des Grundsicherungsrechts herausgearbeitet, dass ein Zuwarten auf die Feststellung von Erwerbsfähigkeit und der Zugehörigkeit zum Grundsicherungssystem des SGB II durch Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht statthaft ist. Die Verpflichtung nach § 3 Abs. 2, nach Antragstellung unverzüglich Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zu erbringen, besteht auch nach Streichung des § 15a a. F. und der Einführung des Bürgergeldes fort.

 

Rz. 7

Abs. 1 Satz 2 begründet eine Obliegenheit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen. Speziell genannt ist der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung (vgl. § 15) noch bis zum 30.6.2022, danach eines Kooperationsplans nach § 15 n. F. Schon seit dem 9. SGB II-ÄndG, das im Wesentlichen am 1.8.2016 in Kraft getreten ist, hatte die Eingliederungsvereinbarung einen anderen Charakter erhalten. Sie diente insbesondere nicht mehr vorrangig dazu, allein Aktivitäten der Leistungsberechtigten zu regeln und diese umfassend zu verpflichten. Vielmehr musste das Jobcenter jeweils auch eine angemessene Gegenleistung in die Vereinbarung aufnehmen. Dies wurde durch die Rechtsprechung des BSG auch für das Recht der Arbeitsförderung betont. Die aktive Mitwirkung an allen Maßnahmen zur Integration erfasst hingegen die Vielzahl an Handlungsmöglichkeiten des Erwerbsfähigen, zum Erfolg einer Eingliederungsmaßnahme beizutragen, denen keine konkreten Rechtsfolgen gegenübergestellt werden können. Dazu gehört z. B. das individuelle Auftreten in angemessener Kleidung, das Bekunden von Interesse usw. In die Eingliederungsvereinbarung durften allerdings auch nur Maßnahmen und Aktivitäten zur Verringerung und Beseitigung der Hilfebedürftigkeit aufgenommen werden, die dem Leistungsberechtigten zumutbar i. S. d. § 10 sind. Das gilt auch für die zukünftigen Kooperationspläne, selbst wenn Maßnahmen ohne Rechtsfolgenbelehrung angeboten werden, weil eine Vertrauenszeit oder Kooperationszeit gilt. Schließlich gehörten die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit selbst, etwa die Teilnahme an einer Maßnahme zur beruflichen Weiterbildung oder zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung, zum Kreis der Obliegenheiten des Leistungsberechtigten. Die Rechtsprechung leitete aus der dem Leistungsberechtigten auferlegten Obliegenheit zur Eigenaktivität als Auslegungshilfe z. B. für Umzüge ab, dass dieser vom Leistungsberechtigten selbst zu organisieren und durchzuführen ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.3.2017, L 19 AS 2115/16). Das wird nach der anderen Charakterisierung durch das Bürgergeld zu überdenken sein.

 

Rz. 7a

Die Obliegenheiten nach Abs. 1 sind nicht von Leistungsminderungen bedroht. Rechtsfolgen können sich nur nach Maßgabe der §§ 31 ff. ergeben. Allerdings macht der Gesetzgeber in § 2 deutlich, dass er auch in einem kooperierenden Kommunikationsprozess besondere Verpflichtungen durch den Kooperationsplan sieht. Letztlich können auch in diesem System bei mangelnder Mitwirkung einseitige leistungsminderungsbewehrte Vorgaben durch das Jobcenter erfolgen. Sind Aktivitäten nach Abs. 1 nicht in einem Kooperationsplan konkretisiert, kann dem Arbeitsuchenden eine selbst vorgenommene, unzweckmäßige Aktivitätenauswahl auch im Hinblick auf den Bestand einer Vertrauenszeit nicht zur Last gelegt werden. Insbesondere muss der Arbeitsuchende nicht nachweisen oder glaubhaft machen, dass er ohne sein Verschulden erreichbare Erwerbstäti...

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