Rz. 85
Lebt ein Kind abwechselnd bei Vater und Mutter, denen das Sorgerecht je zur Hälfte eingeräumt wurde, kann in beiden Wohnungen jeweils der volle Unterkunftsbedarf berücksichtigt werden, also ein Kinderzimmer in beiden Wohnungen, wenn sich das Kind in etwa gleichgewichtig bei beiden Elternteilen aufhält. Dann kann eine Hauptverantwortung nur eines Elternteils nicht festgestellt werden (BSG, Urteil v. 11.7.2019, B 14 AS 23/18 R, vgl. auch BT-Drs. 19/21797). Grundsätzlich kommt es bei temporären Bedarfsgemeinschaften anderer Art auf die Umstände des Einzelfalls an (so auch BSG, Urteil v. 29.8.2019, B 14 AS 43/18 R), nach Auffassung der Bundesregierung wird der höhere Wohnraumbedarf regelmäßig in beiden Bedarfsgemeinschaften anerkannt. Bei Ausübung des Umgangsrechts ist der Bedarf für die Unterkunft weder regelhaft zu erhöhen noch kann bei einem Umgang im üblichen Umfang davon ausgegangen werden, dass kein weiterer Bedarf besteht. Es ist dem BSG zufolge eine Einzelfallprüfung anzustellen, es ist nicht die Einschätzung der Eltern maßgebend. Nach Auffassung des LSG Sachsen ist erhöhter Raumbedarf wegen der Ausübung des Umgangsrechts eines Elternteils in Bezug auf sein beim anderen Elternteil lebendes minderjähriges Kind Bedarf des umgangsberechtigten Elternteils (LSG Sachsen, Urteil v. 15.1.2015, L 2 AS 161/11). Dieser ist auch aktiv dazu legitimiert, die Ansprüche geltend zu machen. Die Jobcenter erkennen ein Kinderzimmer in aller Regel auch bei beiden Elternteilen an, wenn diese ein klassisches Umgangsrecht vereinbart haben, etwa die Wahrnehmung an jedem zweiten Wochenende und einem mehrwöchigen Zeitraum in den Sommerferien. Ein höherer Wohnbedarf kann nur ausnahmsweise anerkannt werden, wenn die Wohnverhältnisse ansonsten für den Besuch des Kindes evident ungeeignet sind (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 4.8.2010, L 11 AS 105/10 B PKH). Nach der Rechtsprechung kann der durch das Umgangsrecht mit minderjährigen Kindern entstehende Platzbedarf im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit der Hälfte des bei dauernder Bedarfsgemeinschaft bestehenden Bedarfs angesetzt werden (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 27.5.2014, L 3 AS 1895/14 ER-B; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 4.1.2012, L 1 AS 635/11 B ER). Steht der Umfang eines Umgangsrechts nach der Trennung der Eltern noch nicht fest, kann es bei der Beurteilung der angemessenen Wohnungsgröße noch nicht berücksichtigt werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 16.4.2019, L 2 AS 473/19 B ER, 474/19 B). Das BSG sieht auch bei Begründung einer temporären Bedarfsgemeinschaft keine Aufteilung des Unterkunftsbedarfs (BSG, Urteil v. 17.2.2016, B 4 AS 2/15 R). Der Bedarf an Unterkunft und Heizung bestehe nur für den Lebensmittelpunkt, der in der Wohnung des Elternteils liegt, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält. Hält sich das Kind bei dem anderen Elternteil auf, bestehe insoweit kein weitergehender oder anteiliger Wohnbedarf. Auch die wesentlichen Belastungen und Kosten bleiben bei dem Elternteil des überwiegenden Aufenthalts. Der umgangsberechtigte Elternteil kann einen Zusatzbedarf haben, das kann auch ein zusätzlicher Wohnbedarf sein. Umgangsbedingte höhere Wohnkosten sind keine Bedarfe des Kindes, sondern ausschließlich dem Bedarf des umgangsberechtigten Elternteils zuzurechnen (grundsicherungsrechtlich ist daher ein Wohnbedarf nur für die Wohnung mit dem Lebensmittelpunkt anzuerkennen, als die überwiegend genutzte Wohnung, bestätigt durch BSG, Urteil v. 11.7.2019 B 14 AS 23/18 R). Das BSG beruft sich für diese Auslegung auf § 22b Abs. 3 Satz 2 Nr. 2, dort ist ein erhöhter Bedarf gerade wegen des Umgangsrechts benannt. Auch das LSG Nordrhein-Westfalen hält die Erhöhung der angemessenen Wohnfläche wegen der Ausübung des Umgangsrechts für grundsätzlich möglich, nicht jedoch im Falle eines Kindes im Alter von 4 Jahren, das seinen getrennt vom Partner lebenden Vater im Wesentlichen nur an 2 Wochenenden im Monat besucht. Aus § 22b Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ergibt sich demzufolge auch kein Automatismus, vielmehr bedarf es einer Feststellung des tatsächlichen Bedarfs im Einzelfall (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 6.9.2018, L 7 AS 744/17). Dem hat das BSG in seinem Urteil v. 29.8.2019 (B 14 AS 43/18 R) beigepflichtet. Der Zusatzbedarf ist dem BSG zufolge auch nicht ausbildungsgeprägt, Leistungen kommen also nach § 27 in Betracht, wenn der umgangsberechtigte Elternteil selbst nach § 7 Abs. 5 von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Jedenfalls sind die kopfteiligen Leistungen zu den Kosten für Unterkunft und Heizung für das Kind bei dem Elternteil, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält, nicht für Abwesenheitstage zu vermindern (LSG Sachsen, Urteil v. 14.12.2016, L 7 AS 1202/14).
Rz. 85a
Bei der Ausübung des Umgangsrechts entsteht gerade in Fällen des Umgangs mit jüngeren Kindern oder des Umgangs nur an Wochenenden regelmäßig ein nur reduzierter Bedarf für zusätzlichen Wohnraum, sodass nicht die Maßstäbe durchgängiger Bedarfsgemeinsch...