Rz. 2
Die §§ 31 bis 32 regeln die Konsequenzen bei sozialwidrigem Verhalten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und anderen Personen, die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft leben. Dabei handelt es sich stets um Pflichtverletzungen des Betroffenen, die darin bestehen, dass die Bemühungen darum, die eigene Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhaltes für sich und die mit dem Betroffenen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen aktiv einzusetzen, unzureichend sind, oder aber es an einer ausreichenden Mitwirkung an solchen Aktivitäten mangelt (Ausfluss aus dem Forderungsgedanken in § 2). Bei der Leistungsminderung handelt es sich nicht um einen Eingriff, sondern um eine verminderte Leistungsgewährung. Nach der Einführung des Bürgergeldes wird der gesamte Unterabschnitt ab 1.1.2023 mit Leistungsminderungen überschrieben. Durch die Neuregelung der Leistungsminderungen wurden ursprünglich Mehrausgaben in Höhe von 28 Mio. EUR jährlich erwartet. Das dürfte nach den durch den Vermittlungsausschluss vorgelegten und von Bundestag und Bundesrat angenommenen Beschlussvorschlag nicht mehr realistisch sein. Hinzu kommen Einsparerwartungen durch eine Verschärfung des Minderungsrechts, die im Zweiten Haushaltsfinanzierungsgesetz 2024 geregelt ist. In den Jahren 2017 und 2018 betrug die Summe der Leistungsminderungsbeträge nach den §§ 31 bis 32 rd. 178 Mio. EUR bzw. 174 Mio. EUR. Aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG v. 5.11.2019 und der Corona-Pandemie sind für die Folgejahre keine Summen bei Regelverlauf verfügbar. Durch die verschärften Minderungsvorschriften (§ 31a Abs. 7, § 31b Abs. 3) erwartet die Bundesregierung jährliche Einsparungen in Höhe von 170 Mio. EUR. Die Regelungen sind nach Inkrafttreten der Neuregelungen zu den Leistungsminderungen deutlich abgemildert worden, sind aber noch vom Fordern aus dem Grundsatz des Förderns und Forderns gekennzeichnet. Teilweise sind die Vorschriften über die Leistungsminderungen den Regelungen über die Sperrzeit im Arbeitsförderungsrecht nachempfunden bzw. an diese angelehnt; insbesondere die Rechtsfolgen sind aber anders gestaffelt. Das ist eine politische Entscheidung. Mit dem Bürgergeld sollten einige der genügend vorhandenen Vorschläge, durch deren Umsetzung das Recht besser auf den Grundsatzteil des Förderns abgestellt werden kann, umgesetzt werden. Das hat insbesondere auch dazu geführt, dass die Leistungsminderungen weit weniger drastisch ausfallen müssen. Damit hat der Gesetzgeber nunmehr aufgrund des Neuregelungsauftrages des BVerfG Anlass sowie Gelegenheit genutzt. Als Folge der politischen Kontroversen um das Bürgergeld konnten nicht alle Vorschläge im Gesetzgebungsverfahren auch durchgesetzt werden. Die Leistungsminderungsvorschriften sind weiterhin keine Strafvorschriften, sie haben allerdings erzieherischen Charakter als faktisches wirtschaftliches Druckmittel zur Änderung des persönlichen Verhaltens der Leistungsberechtigten. Neben vereinfachenden Regelungen ist vom Gesetzgeber allerdings auch eingefordert worden, für besonders schwierige Einzelfälle weiterhin die Möglichkeit vorzusehen, Leistungsminderungen im Umfang von mehr als 30 % der maßgebenden Leistung für den Regelbedarf bis zur vollen Leistungsminderung vorzusehen. Das ist mit den Neuregelungen jedoch zunächst nicht geschehen. Erst fiskalische Erwägungen haben in der Haushaltskrise Anfang 2024 dazu geführt, zunächst befristet auch Leistungsminderungen zuzulassen, die den vollen Regelbedarf umfassen.
Rz. 2a
Bescheide über Leistungsminderungen können schon nach der seit dem 1.4.2011 bestehenden Rechtslage isoliert angefochten werden (Bay. LSG, Urteil v. 30.1.2014, L 7 AS 86/13). Die Vorschriften berücksichtigen nicht einen etwa eingetretenen oder gerade nicht eingetretenen Schaden durch das Verhalten des Leistungsberechtigten in dem Sinne, dass Hilfebedürftigkeit bei einem anderen Verhalten beendet, verringert oder gar vermieden worden wäre.
Eine Klage wegen einer Leistungsminderung erfordert dem BSG zufolge zunächst eine entsprechende Verwaltungsentscheidung und sei dann gegen das zuständige Jobcenter zu richten (BSG, Urteil v. 29.4.2015, B 14 AS 19/14 R). Eine Klage gegen den Gesetzgeber könne vor den Sozialgerichten nicht zulässigerweise erhoben werden, um eine Änderung des SGB II für den Fall der vollständigen Leistungskürzung zu erreichen. Das Bay. LSG hatte darauf hingewiesen, dass es für die Prüfung der Erfolgsaussicht ausreiche, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich habe. Diese sei in aller Regel anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des Antragstellers ebenso wahrscheinlich sei wie sein Unterliegen. Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen müssten auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Prozesskostenhilfe müsse jedoch nicht schon d...