Rz. 71j
Im Arbeitsverhältnis gilt aber der Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn". Einen allgemeinen Entgeltfortzahlungsanspruch außerhalb von Gesetz oder Tarifvertrag gibt es nicht (BAG, Urteil v. 19.9.2018, 10 AZR 496/17).
Rz. 72
Bereitschaftszeit ist mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten. Bei Bereitschaftsdienst neben Vollarbeit darf der Bruttolohn das Produkt der Gesamtstunden mit dem gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten (BAG, Urteil v. 11.10.2017, 5 AZR 591/16). Rufbereitschaft ist Arbeitszeit, wenn der Arbeitnehmer zu Hause der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers binnen 8 Minuten Folge zu leisten (EuGH, Urteil v. 21.2.2018, C-518/15).
Rz. 72a
Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn kann durch Sonderzahlungen (z. B. eine Anwesenheitsprämie) nur erfüllt werden, wenn die für eine geleistete Arbeitsstunde vertraglich vereinbarte Grundvergütung niedriger als der gesetzliche Mindestlohn ist (BAG, Urteil v. 11.10.2017, 5 AZR 621/16).
Rz. 72b
Bei dauerhafter Zeitungszustellung in Nachtarbeit nach dem Arbeitszeitgesetz besteht für den Zusteller Anspruch auf einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 30 % des je Arbeitsstunde zustehenden Mindestlohns, es sei denn, eine höhere Vergütung ist bereits vertraglich vereinbart (BAG, Urteil v. 25.4.2018, 5 AZR 25/17).
Rz. 72c
Zeiten ohne Arbeitsleistung begründen keine Mindestlohnansprüche. Für Feiertage ist dem Arbeitnehmer aber das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (BAG, Urteil v. 20.9.2017, 10 AZR 171/16). Sonn- und Feiertagszuschläge sind grundsätzlich mindestlohnwirksam (BAG, Urteil v. 24.5.2017, 5 AZR 431/16).
Rz. 72d
Bei der Berechnung von Entgeltfortzahlung für Krankheits- und Urlaubszeiten ist das im Referenzzeitraum erzielte Entgelt für die tatsächliche Inanspruchnahme während einer Rufbereitschaft einzubeziehen (BAG, Urteil v. 6.9.2017, 5 AZR 429/16).
Rz. 72e
Eine Besitzstandszulage, die der Arbeitgeber an Arbeitnehmer als Teil der Entlohnung für geleistete Arbeit monatlich pauschal in gleichbleibender Höhe zum Ausgleich für die Absenkung von Zuschlägen unabhängig von deren Anfall zahlt, ist geeignet, den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn zu erfüllen (BAG, Urteil v. 6.12.2017, 5 AZR 699/16).
Rz. 72f
Der Arbeitgeber, der seinem Arbeitgeber nicht gestattet, seinen Anspruch auf Urlaub auszuüben, hat die finanziellen Folgen in Form von Urlaubsabgeltung zu tragen (EuGH, Urteil v. 29.11.2017, C-214/16, vgl. Art. 7 RL 2003/88). Der Arbeitnehmer muss nicht zunächst Urlaub nehmen, bevor er feststellen kann, ob überhaupt ein Anspruch auf Bezahlung besteht.
Arbeitstage, die aufgrund der kurzarbeitsbedingten Neuverteilung der Arbeitszeit ausfallen, sind bei einer unterjährigen Neuberechnung des Jahresurlaubs nicht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen (BAG, Urteil v. 30.11.2021, 9 AZR 225/21).
Nach dem BUrlG entstandene Urlaubsansprüche sind nur dann befristet, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs nachgekommen ist (BAG, Urteil v. 22.10.2019, 9 AZR 98/19, zuvor schon BAG, Urteil v. 19.2.2019, 9 AZR 423/16). Das gilt auch für tariflichen Mehrurlaub (BAG, Urteil v. 19.2.2019, 9 AZR 541/15).
Rz. 72g
Hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf weniger als einen halben Urlaubstag, bleibt es bei dem Bruchteilsanspruch, es findet keine Rundung statt (BAG, Urteil v. 23.1.2018, 9 AZR 200/17).
Rz. 72h
Allein die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts zur Weihnachtsgratifikation über einen längeren Zeitraum führt nicht zu einer Konkretisierung der Anspruchshöhe mit der Folge, dass jede andere Ausübung des Ermessens nicht mehr der Billigkeit entspräche (BAG, Urteil v. 23.8.2017, 10 AZR 376/16).
Rz. 72i
Zur Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten liegt eine auffällige Dienstkleidung auch vor, wenn der Arbeitnehmer aufgrund ihrer Ausgestaltung in der Öffentlichkeit einem bestimmten Berufszweig oder einer bestimmten Branche zugeordnet werden kann (BAG, Urteil v. 6.9.2017, 5 AZR 382/16).
Ist ein Anspruch auf Vergütung von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten durch Tarifvertrag ausgeschlossen, kann ein Arbeitnehmer eine solche Vergütung nicht beanspruchen (BAG, Urteil v. 21.7.2020, 5 AZR 572/20). Damit wird die Möglichkeit nicht genutzt, durch Arbeits- oder Tarifvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleide- und Wegezeiten zu treffen (vgl. BAG, Urteil v. 12.12.2018, 5 AZR 124/18).
Rz. 72j
Bei auswärtiger Arbeitsstelle sind Fahrten zum Kunden und zurück vergütungspflichtige Arbeit, gleich, ob sie vom Betrieb oder der Wohnung des Arbeitnehmers aus vorgenommen werden. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung getroffen werden (BAG, Urteil v. 25.4.2018, 5 AZR 424/17). Anfahrtszeiten des Arbeitnehmers von seinem Wohnsitz zum ersten und Abfahrtszeiten vom letzten Kunden nach Hause sind vergütungspflichtige Arbeitszeiten i. S. v. § 611 Abs. 1 BGB bzw. seit dem 1.4.2017 i. ...