Rz. 80
Abs. 2 Nr. 2 belegt unwirtschaftliches Verhalten des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und aufgrund des § 31a Abs. 5 auch der nicht erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der Bedarfsgemeinschaft mit Leistungsminderungen. Die Regelung war schon früher im BSHG enthalten. Sie setzt eine entsprechende Rechtsfolgenbelehrung voraus. Diese muss konkret aufzeigen, worin das zukünftig zu unterlassende unwirtschaftliche Verhalten besteht. Daraus ergibt sich, dass ein erstes unwirtschaftliches Verhalten frei von Rechtsfolgen bleibt, auch wenn dadurch Hilfebedürftigkeit (absichtlich – vgl. Abs. 2 Nr. 1 – oder unabsichtlich, nur billigend in Kauf nehmend) erst herbeigeführt worden ist. Dem Leistungsberechtigten soll durch Abs. 2 Nr. 2 aber nicht die Dispositionsfreiheit über die ihm rechtmäßig zustehenden Leistungen zum Lebensunterhalt genommen werden. Auch soll er keinen Nachweis über die Verwendung der ihm ausgezahlten Leistungen führen (müssen). Unwirtschaftliches Verhalten liegt grundsätzlich vor, wenn keinerlei wirtschaftlich vernünftige Überlegungen angestellt werden, die zur Verfügung gestellten Leistungen also mit Verschwendung oder ohne Sinn verausgabt werden oder sonst mit dem normalen Verhalten eines Verbrauchers nicht zu vereinbarenden Art und Weise verprasst werden. Das kann z. B. auch bei vorzeitigem Verbrauch von Einkommen gegeben sein, wenn Einnahmen sinnlos verschwendet wurden.
Rz. 80a
Dagegen ist die Haltung eines (angemessenen) Pkw im Regelfall keiner Bewertung als unwirtschaftliches Verhalten mehr zugänglich (vgl. seit dem 1.1.2023 § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2). Bei Haltung eines unangemessenen Pkw ist daher auch keine Einzelfallprüfung mehr erforderlich, weil dies kein unwirtschaftliches Verhalten (mehr) bedeutet. Das bedeutet auch keine Einschränkung der Dispositionsfreiheit des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten über das ihm bewilligte Bürgergeld. Insbesondere stellt nicht jeder Einkauf zu ungünstigen wirtschaftlichen Bedingungen ein unwirtschaftliches Verhalten dar. Erst wenn der Leistungsberechtigte in einer Weise von dieser Dispositionsfreiheit Gebrauch macht, dass z. B. seine elementaren Lebensbedürfnisse auch nach einer Rechtsfolgenbelehrung nicht mehr von ihm aus der Leistung für den Regelbedarf befriedigt werden, ist Abs. 2 Nr. 2 anzuwenden. Diese Überlegungen gelten für das Bedürfnis auf Wohnen und die Leistungen zur Deckung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung entsprechend. Erforderlich ist insoweit ein deutliches Abweichen vom Durchschnitt gleichartig betroffener Bürger. Davon kann aber noch keine Rede sein, wenn der monatlich zuerkannte Regelbedarf in einer Summe vom Konto abgehoben wird (und dann durch Diebstahl oder auf andere Weise verloren geht), vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 23.11.2011, L 2 AS 1322/11 B. Zu berücksichtigen ist stets, dass die Leistung für den Regelbedarf bewusst als Pauschale gewährt wird, damit die Leistungsberechtigten selbst über die Deckung ihres Lebensunterhaltes befinden können. So sind z. B. der Genuss von Tabak und der Konsum von Alkohol für sich allein noch kein unwirtschaftliches Verhalten.
Rz. 81
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte sparsam mit den ihnen zur Verfügung gestellten Leistungen umgehen und vorrangig einsetzen, um die elementaren Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Dieses typisierende Bild eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist bei der Prüfung des Abs. 2 Nr. 2 zugrunde zu legen. Es bedarf drastischer Abweichungen von einem solchen Verhalten, insbesondere durch Verausgabung von Grundsicherungsleistungen für nicht elementare Lebensbedürfnisse, z. B. Alkohol und Tabak oder maßlose Kommunikation per Telefon oder Mobilfunk, auch Drogenkonsum. Unwirtschaftliches Verhalten kann z. B. auch bei der Beibehaltung eines nicht nach § 12 geschützten, unangemessenen Kfz vorliegen, für das erhebliche Betriebskosten aufgewandt werden müssen, die eine deutliche Abweichung vom Regelfall bedeuten. Krankhaft bedingte Dispositionsfehler vermögen eine Kürzung der Leistungen durch Feststellung einer Leistungsminderung nicht zu rechtfertigen. Entscheidend ist, dass dem Jobcenter das unwirtschaftliche Verhalten überhaupt bekannt wird. Ein Sachverhalt nach Abs. 2 Nr. 2 wird im Wesentlichen daraus resultieren, dass der erwerbsfähige Leistungsberechtigte selbst mehrfach nach unwirtschaftlichem Verhalten weitere Leistungen, etwa Übergangszahlungen oder Vorschüsse, beim Jobcenter nachfragt. Vorwerfbar ist dem Leistungsberechtigten unwirtschaftliches Verhalten im Ergebnis aber nur, wenn davon ausgegangen werden kann, dass dem Leistungsberechtigten, ggf. auch erst durch eine erteilte Rechtsfolgenbelehrung bewusst ist, was unwirtschaftliches Verhalten ist und für ihn konkret bedeutet. Eine Leistungsminderung kann nur festgestellt werden, wenn über die Kenntnis der eigenen Unwirtschaftlichkeit die Einsicht vorhanden ist, dass ein unwirtschaftliches Verhalten angenommen werden muss...