Rz. 2
Die §§ 31 bis 32 regeln die Konsequenzen bei sozialwidrigem Verhalten des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und anderen Personen, die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft leben. § 31a konkretisiert den Nachranggrundsatz des § 2 und knüpft dazu an Verletzungen der auf Integration in den Arbeitsmarkt bzw. in Erwerbstätigkeit zielenden Obliegenheiten und weiteren Pflichtverletzungen aus § 31 an. Die Regelungen sind weniger scharf als die vollständige Versagung/Entziehung von Leistungen bei Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten nach den §§ 60 ff. SGB I (vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 19.1.2011, L5 AS 452/10 B ER). Dabei ist allerdings zu bedenken, dass bei nachgeholter Mitwirkung die Leistung auch für die Vergangenheit vollständig nachgezahlt werden kann (vgl. § 67 SGB I), auch wenn eine solche Entscheidung als Ermessensentscheidung durch das Jobcenter getroffen wird. Das SGB II regelt Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums für Arbeitsuchende und weitere Personen in der Bedarfsgemeinschaft. Nach dem Sozialstaatsgebot und unter Beachtung der Grundrechte der Menschen kann diese Grundsicherung eingeschränkt, aber nicht vollständig gestrichen werden. Andererseits ist der Staat nicht verpflichtet, das sozio-kulturelle Existenzminimum voraussetzungslos ohne jede Mitwirkungsforderung zur Verfügung zu stellen. In welchem Umfang Einschränkungen möglich sind, kann daher im Zweifel nur durch das BVerfG entschieden werden (vgl. dazu das Urteil v. 5.11.2019, 1 BvL 7/16, Kurzdarstellung vgl. Rz. 30d ff.). Nach Auffassung der Bundesregierung waren aus dem Urteil des BVerfG v. 9.2.2010 (1 BvL 1/09 u. a.) für Leistungsminderungen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende keine Konsequenzen zu ziehen (vgl. BT-Drs. 17/6833). Aus dem die Leistungsminderung feststellenden Bescheid müssen die leistungsmindernde Regelung und der betroffene Zeitraum für den Adressaten unzweideutig erkennbar sein (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 11.4.2013, L 20 AS 578/13 B ER). Schon aus dem Verfügungssatz müsse sich unzweifelhaft ergeben, was und von wem die Behörde etwas wolle. Das Leistungsminderungsrecht muss im Ergebnis den für die Grundsicherung für Arbeitsuchende geltenden Grundsatz des Förderns und Forderns spiegeln, der auch im Rahmen der Einführung des Bürgergeldes beibehalten worden ist, wenngleich für den Eingliederungsprozess und die Leistungsgewährung neue Maßstäbe gesetzt wurden. Hierbei kommt es auch unter politischen Gesichtspunkten darauf an, ob mit erhöhtem Druck durch Leistungsminderungen auf die Erwerbstätigenbereitschaft der Leistungsberechtigten eingewirkt werden soll oder dieses Recht eher auf das Fördern abgestellt wird. Die Wissenschaft kann eventuell tendenzielle Wirkungen der Leistungsminderungen auf die Arbeitsbereitschaft betroffener Leistungsberechtigter belegen, eine flächendeckende systematische Wirkung lässt sich kaum belegen. Ebenfalls kann nicht eindeutig bewiesen werden, dass Leistungsminderungen gar in Bezug auf die Erwerbstätigkeitsbereitschaft schaden, tendenziell lässt sich dies auch nicht bei jugendlichen Leistungsberechtigten beobachten, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung festgestellt hat. Fest steht allerdings auch, dass bei jugendlichen Leistungsberechtigten nur von einer verringerten Einsichtsfähigkeit ausgegangen werden kann. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass den Jobcentern ein Instrumentarium an die Hand gegeben werden muss, das sie bei ihrer Eingliederungsarbeit insbesondere auch in den Fällen unterstützen kann, in denen keine oder nur eine geringe Mitwirkungsbereitschaft beim erwerbsfähigen Leistungsberechtigten vorhanden ist. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschlossen, das Instrumentarium der Leistungsminderung weiterhin zur Verfügung zu stellen, und dabei der Freiwilligkeit der Mitwirkung keine Chance einzuräumen. Es bleibt abzuwarten, ob sich gleichwohl eine andere Kommunikation mit den Leistungsberechtigten ergeben wird. Hierfür ist insbesondere auch die Überlegung maßgebend, dass dies weit mehr als 90 % der Leistungsberechtigten betrifft, was ständige Rechtsfolgenbelehrungen in Bezug auf drohende Leistungsminderungen ebenso entbehrlich macht wie sehr hohe, früher teils unverhältnismäßige Leistungsminderungen. Umgekehrt kann natürlich gefragt werden, warum es dann noch der Freiwilligkeitskomponente bedarf, wenn dies ohnehin nur etwas um die 3 % der Leistungsberechtigten betreffen würde, die schon in der Vergangenheit nicht zur Mitwirkung bereit waren. Einigen sich das Jobcenter und der Leistungsberechtigte auf einen Kooperationsplan, in dem u. a. auch die erforderlichen Mitwirkungshandlungen festgelegt sind, können den Leistungsberechtigten nach dem Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens zum Bürgergeld nicht während einer Vertrauenszeit von 6 Monaten keinerlei Leistungsminderungen treffen, gleich, ob er mitwirkt oder wie oft er seinen Pflichten nicht nachkommt. Auch darf der Leistungsberechtigte im Anschluss an eine solche Vertrauenszeit seine ...