Rz. 17
Die Meldeaufforderung ist mit einer schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung zu verbinden, wenn Rechtsfolgen nicht auszuschließen sind wie während der Vertrauenszeit bei erster Meldeaufforderung. Abs. 1 Satz 1 setzt voraus, dass der Leistungsberechtigte über die Rechtsfolgen, die sich aus einem sozialwidrigen Verhalten nach diesen Regelungen ergeben können, belehrt worden ist. Die Rechtsfolgen können nur eintreten, wenn er trotz dieser Belehrung gehandelt hat, diese also der Handlung vorausgegangen ist und er aktiv Kenntnis über die drohenden Leistungsminderungen hat, weil ihm die Rechtsfolgenbelehrung selbst in der notwendigen Qualität zuteilgeworden ist. Das Jobcenter musste deshalb schon während des Sanktionsmoratoriums prüfen, ob im Falle eines Meldeversäumnisses ohne wichtigen Grund überhaupt eine Rechtsfolge eintreten konnte. Dazu musste es sich um ein wiederholtes Meldeversäumnis handeln (vgl. § 84 Abs. 2). Zur Belehrung über die Rechtsfolgen kann das Instrument der Meldeaufforderung (§ 59 i. V. m. § 309 SGB III) genutzt werden. Das Verlangen des Jobcenters zu einer Meldung zu einem Meldezweck nach § 309 SGB III ist ausreichend. Für eine Leistungsminderung nach § 32 bei wiederholter Pflichtverletzung ist es nicht erforderlich, dass der Leistungsberechtigte vor einer weiteren Minderung einen Minderungsbescheid als Warnung erhalten hat. Die dahingehende Rechtsprechung des BSG sei nach der Neufassung der §§ 31 ff. überholt (BSG, Urteil v. 29.4.2015, B 14 AS 19/14 R). Für das BSG ist der objektive Erklärungswert der Belehrung entscheidend, dem zwingend formalen Charakter kommt eine hohe Bedeutung zu (BSG, Urteil v. 15.12.2010, B 14 AS 92/09 R). Gemäß Abs. 1 Satz 1 ist über die Rechtsfolgen des Meldeversäumnisses zu belehren und nicht über einzelne Modalitäten der Wahrnehmung der Meldepflicht. Einer Belehrung über die Regelung des § 309 Abs. 3 Satz 2 SGB III bedarf es in einer Meldeaufforderung daher nicht (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 17.1.2022, L 25 AS 1638/20).
Rz. 17a
Bei Aufstockern von Alg I durch die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und einer vermittlerischen Betreuung der Aufstocker durch die Agenturen für Arbeit ist die Rechtsfolgenbelehrung in Bezug auf den Eintritt einer Leistungsminderung nach § 32 durch die Agentur für Arbeit zu erteilen. Die Rechtsfolgenbelehrung ist dazu mit der Aufforderung zur Meldung oder zum Erscheinen zu einer Untersuchung zu verbinden. Die Agenturen für Arbeit haben vor einer Minderungsentscheidung auch den Sachverhalt bezogen auf das Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte, ab dem 1.1.2023 aber nicht mehr der nachgeholten Mitwirkung bzw. der gültigen Bereitschaft dazu aufzunehmen und zu bewerten.
Rz. 18
Die Belehrung unterliegt einem schriftlichen Formerfordernis, sie kann also insbesondere auch nicht mündlich erteilt werden. Das Jobcenter muss die Belehrung ggf. nachweisen (SG Gießen, Urteil v. 14.1.2013, S 29 AS 676/11). Mündliche Rechtsfolgenbelehrungen sind zwar besonders wirksam, weil das eingetretene Verständnis abgefragt bzw. überprüft werden kann; der Leistungsberechtigte hat Gelegenheit zu Rückfragen. Doch eine solche Belehrung kann nur ergänzend vorgenommen werden. Der Behörde bleibt es nicht unbenommen, die den Dialog spiegelnde schriftliche Rechtsfolgenbelehrung auszuhändigen und sich den Erhalt bestätigen zu lassen. Allerdings bleibt im Zweifel fraglich, ob eine schriftliche Belehrung allein rechtsmängelfrei in dem Sinne war, dass sie für den Leistungsberechtigten subjektiv verständlich war. Dem Leistungsberechtigten obliegt es insoweit, ggf. Rücksprache mit dem Jobcenter zu halten. Die Rechtsfolgenbelehrung hat rechtsmängelfrei vor jeder neuen Rechtsfolgendrohung zu erfolgen, sie muss also ggf. regelmäßig oder häufig wiederholt werden, also mit jeder Meldeaufforderung. Nur dann entfaltet die Belehrung die gesetzlich vorgesehene Wirkung. In der Regel sind Rechtsfolgenbelehrungen nach § 32 Abs. 1 schriftlich auf dem Einladungsvordruck enthalten.
Rz. 19
Eine Rechtsfolgenbelehrung ist rechtsmängelfrei, wenn sie konkret, richtig, vollständig und verständlich ist. Eine konkrete Rechtsfolgenbelehrung zeigt dem Hilfebedürftigen die drohenden Rechtsfolgen und ihre Wirkungen auf. Dazu gehört, dass nicht nur auf mögliche Leistungskürzungen hingewiesen wird, sondern unter Bezugnahme auf den unmittelbar in Rede stehenden Grundtatbestand die Voraussetzungen für den Eintritt der Rechtsfolge dargelegt werden. Die Rechtsfolgenbelehrung hat danach auch den unbestimmten Rechtsbegriff des wichtigen Grundes und die Verteilung der Nachweispflichten einzuschließen. Ebenso muss der Umfang der Leistungskürzung nach Leistungsart und zumindest nach prozentualem Ausmaß beziffert werden. Richtig ist die Rechtsfolgenbelehrung dann, wenn sie die dem Leistungsberechtigten konkret drohenden Rechtsfolgen aufzeigt und sich nicht darauf beschränkt, einen möglichen Rahmen für Leistungsminderungen aufzuzeigen. Insoweit muss die Belehrung auch eindeutig sein und zwischen ...