Rz. 21b

Der wichtige Grund bezieht sich auf die Ursache für das Meldeversäumnis, also auf den Tatbestand. Dagegen spielt die Rechtsfolge der Leistungsminderung keine Rolle, die Folgen der Leistungsminderung sind erst zu prüfen, wenn darüber zu befinden ist, ob eine außergewöhnliche Härte der Feststellung einer Leistungsminderung entgegensteht.

 

Rz. 21c

Eine Leistungsminderung wegen eines Meldeversäumnisses darf nur festgestellt werden, wenn das Versäumnis dem Betroffenen subjektiv vorgeworfen werden kann (BSG, Urteil v. 9.11.2010, B 4 AS 27/10). Wurde ein Meldetermin schlicht vergessen, ist das Meldeversäumnis dem Leistungsberechtigten subjektiv vorwerfbar, weil er der Meldeaufforderung aufgrund von Fahrlässigkeit schuldhaft nicht nachgekommen ist (Bay. LSG, Beschluss v. 17.2.2016, L 7 AS 776/15 NZB). Eine Leistungsminderung ist insbesondere dann unverhältnismäßig, wenn dem Jobcenter ein in der Meldeaufforderung genannter wichtiger Grund für ein Meldeversäumnis des Leistungsberechtigten zum Zeitpunkt des Meldetermins bekannt ist und ein anderer Zweck für die Meldung nicht mitgeteilt wurde und auch nicht erkennbar ist (SG Itzehoe, Urteil v. 13.5.2013, S 29 AS 57/11). Das irrtümliche Übersehen eines Meldetermins stellt keinen wichtigen Grund für ein Versäumnis dar. Der Leistungsberechtigte muss Meldeaufforderungen mit der nötigen Sorgfalt lesen und ein hinreichendes Verständnis in Bezug auf den konkreten Termin sicherstellen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 18.12.2013, L 13 AS 161/12).

 

Rz. 22

Kommt der Leistungsberechtigte der Meldeaufforderung nicht nach, weil er am in der Meldeaufforderung angegebenen Tag nicht am angegebenen Ort erscheint (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 19.4.2012, L 7 AS 66/12 B), kann er der vorgesehenen Leistungsminderung entgehen, wenn er einen wichtigen Grund nachweist (Abs. 1 Satz 2). Ein solcher Grund liegt allgemein vor, wenn dem Leistungsberechtigten im Einzelfall bei einer Abwägung seiner Interessen mit denen des Steuerzahlers die Meldung nicht möglich oder zuzumuten ist. Damit wird nicht nur dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot Genüge getan und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet, sondern insbesondere den individuellen, vielfältigen Lebenssachverhalten Rechnung getragen. Ein Meldeversäumnis liegt auch vor, wenn der Leistungsberechtigte nicht selbst zur Meldung erscheint, sondern der Termin von einem Bevollmächtigten wahrgenommen wird. Ebenso ist von einem Meldeversäumnis auszugehen, wenn der Leistungsberechtigte zwar das Jobcenter, nicht aber das in der Einladung angegebene Dienstzimmer aufsucht. Wird der Meldezweck noch erreicht, ist es allerdings unschädlich, wenn der Leistungsberechtigte zwar verspätet, aber doch noch am vorgesehenen Tag der Meldung im angegebenen Dienstzimmer des Jobcenters erscheint.

 

Rz. 23

Wichtige Gründe sind insbesondere danach festzustellen, ob die eine Meldung oder ein Erscheinen hindernden Gründe von der meldepflichtigen leistungsberechtigten Person zu vertreten sind oder nicht (Beispiele: Störung im öffentlichen Verkehrsnetz, Erkrankung, keine Freistellung eines beschäftigten Leistungsberechtigten durch den Arbeitgeber). Die Beweislast trifft den Leistungsberechtigten; er hat den Nachweis über das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu erbringen. Das bedeutet zunächst, dass der Leistungsberechtigte den Sachverhalt vortragen muss, aus dem er einen wichtigen Grund herleitet. Zudem trägt er die Beweislast für alle in seiner persönlichen Sphäre liegenden Umstände und für alle Umstände, soweit er nach seinen Möglichkeiten Nachweise erlangen und beibringen kann. Die Jobcenter sind deshalb aber noch nicht aus ihrer Verantwortung entbunden. Auch sie treffen die aus Gesichtspunkten der Rechtsstaatlichkeit resultierenden Grundsätze der Amtsermittlungspflicht, wenn sich Anhaltspunkte ergeben, die auf einen wichtigen Grund hindeuten. Sie muss ihnen nachgehen, wenn sie erkennt oder erkennen muss, dass der Leistungsberechtigte nach seinem Vermögen den Nachweis nicht erbringen kann. Das Jobcenter kann die Beweisführung dem Leistungsberechtigten überlassen, wenn dieser objektiv den Nachweis erbringen kann und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. In keinem Fall ist das Jobcenter dazu verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte ins Blaue hinein zu ermitteln. Andererseits genügt es auch, wenn der wichtige Grund nur objektiv vorliegt, der Leistungsberechtigte selbst ihn nicht einmal kennt. Nimmt ein Leistungsberechtigter nach einer wirksamen Meldeaufforderung durch das Jobcenter für ein Gespräch über sein Bewerberangebot bzw. über seine berufliche Situation ein Vermittlungsangebot des zuständigen Arbeitsvermittlers zur Arbeitsaufnahme an, bedarf es neben der behördeninternen Mitteilung hierüber keiner weiteren Mitteilung, etwa durch den Leistungsberechtigten (SG Itzehoe, Urteil v. 13.5.2013, S 29 AS 57/11).

 

Rz. 24

Der wichtige Grund ist ein unbestimmter Rechtsbegriff ohne Auslegungsspielraum und gerichtlich voll überprüfbar. Ein wichtiger Grund l...

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