Rz. 17
Abs. 3 verweist hinsichtlich der Überleitung von Unterhaltsansprüchen für die Vergangenheit auf das bürgerliche Recht und die Kenntnis des Leistungsverpflichteten. Voraussetzung für die Geltendmachung eines übergegangenen Anspruchs ist, dass nach bürgerlichem Unterhaltsrecht (insbesondere §§ 1613, 1585b BGB) ein Unterhaltsanspruch bereits eingeklagt wurde, der Unterhaltsverpflichtete in Verzug geraten ist oder von ihm zumindest Auskunft über sein Einkommen und Vermögen verlangt wurde. Es gelten die bürgerlich-rechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Unterhaltsart. Für Kalendermonate vor dem jeweiligen Zeitpunkt kann Unterhalt nur bei Sonderbedarf oder Hinderung der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aus rechtlichen oder im Verantwortungsbereich des Unterhaltspflichtigen liegenden tatsächlichen Gründen geltend gemacht werden. Das kann z. B. der Fall sein, wenn der jeweils aktuelle Aufenthaltsort des Verpflichteten nicht festgestellt werden konnte, dieser sich im Ausland aufhielt oder aus rechtlichen Gründen Verzögerungen bei der Feststellung des Vaters eines nichtehelichen Kindes eingetreten sind.
Rz. 17a
Unterhaltsansprüche kann sich das Jobcenter auch durch eine Rechtswahrungsanzeige sichern, mit der dem Unterhaltsverpflichteten die Leistungserbringung an die unterhaltsberechtigte Person mitgeteilt wird. Es ist dann nicht erforderlich, den Unterhaltsverpflichteten zusätzlich in Verzug zu setzen. Die Anzeige setzt voraus, dass ein Leistungsanspruch nach dem SGB II festgestellt worden ist. Dem Jobcenter ist anzuraten, den Nachweis des Zuganges der Anzeige zu gewährleisten.
Die Überleitungsanzeige des Grundsicherungsträgers enthält keine Verfügung eines Anspruchsübergangs, sondern lediglich eine Mitteilung über die Folgen der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an den Leistungsberechtigten. Dies schließt eine materielle Betroffenheit des Grundsicherungsberechtigten durch die Überleitungsanzeige aus (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 4.11.2021, L 32 AS 1705/20 B PKH).
Die Mitteilung nach Abs. 3 Satz 1 als Rechtswahrungsanzeige dient dazu, dem Leistungsträger die Inanspruchnahme des Anspruchsverpflichteten für die Vergangenheit zu sichern. Zugleich erhält der Anspruchsverpflichtete durch die Mitteilung Gelegenheit, seiner Zahlungsverpflichtung freiwillig nachzukommen, um so die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II überflüssig zu machen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 4.11.2021, L 32 AS 1705/20 B PKH).
Rz. 18
In aller Regel wird eine Mitteilung des Jobcenters über die Leistungsgewährung als Rechtswahrungsanzeige mit der Wirkung einer Mahnung oder ein Auskunftsverlangen über Einkommen und Vermögen des Unterhaltsverpflichteten den zeitlich frühesten Zeitpunkt bestimmen, für den Unterhalt beansprucht werden kann, sofern eine Unterhaltspflicht zu diesem Zeitpunkt dem Grunde nach besteht. Aufgrund der Auskunft kann erst beurteilt werden, ob und ggf. in welcher Höhe ein Anspruch besteht. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Detail bekannt sind, wie das üblicherweise bei Partnern vermutet werden kann. Dann wird Unterhalt ohne Auskunftsverlangen unmittelbar geltend gemacht, ggf. in Verbindung mit einem Auskunftsverlangen, und der Unterhaltsverpflichtete in Verzug gesetzt. Ein Auskunftsverlangen des Leistungsträgers nach dem SGB II muss für die Aufgabendurchführung erforderlich sein, allerdings müssen nicht alle für die Beurteilung des Leistungsanspruchs maßgebenden tatsächlichen Fragen geklärt sein. Scheidet die Unterhaltspflicht nach sorgfältiger Prüfung nicht ganz offensichtlich aus, bleibt der Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 Satz 1 bestehen. Ermittlungspflichten der Sozialgerichte zur Unterhaltspflicht richten sich nach den individuellen Gegebenheiten des Einzelfalles (LSG Sachsen, Urteil v. 28.2.2013, L 7 AS 745/11).
Rz. 19
Sonderbedarf ist ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf. Er geht über den regelmäßigen regulären Unterhalt hinaus bzw. wird von diesem nicht gedeckt. Sonderbedarf muss innerhalb eines Jahres seit seiner Entstehung geltend gemacht werden, danach kommt eine Erfüllung nur noch in Betracht, wenn der Unterhaltsverpflichtete innerhalb der Jahresfrist in Verzug geraten oder beklagt worden ist.
Rz. 20
War der Unterhaltsberechtigte an der Geltendmachung des Anspruchs gehindert, steht eine unbillige Härte für den Unterhaltsverpflichteten der nachträglichen Erfüllung ganz oder teilweise entgegen, soweit die Unbilligkeit reicht. Unbillige Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der gerichtlich voll nachprüfbar ist.
Rz. 20a
Hinsichtlich der Vergangenheit wird der Unterhaltspflichtige durch Abs. 3 Satz 1 vor der Geltendmachung der übergegangenen Ansprüche geschützt, soweit und solange er nicht über die Leistungsgewährung nach dem SGB II in Kenntnis gesetzt worden ist. Die etwas unzulängliche Formulierung der Regelung meint, dass das Jobcenter ihn über den Anspruchsübergang informiert. Das wiederum setzt voraus, dass Leistungen zur...