0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift trat mit Art. 1 Nr. 4a des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfeempfänger (Freibetragsneuregelungsgesetz) v. 14.8.2005 (BGBl. I S. 2407) zum 1.9.2005 in Kraft. § 36a ist durch das Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl. I S. 1706) zum 1.8.2006 neugefasst worden. Zuletzt ist § 36a im Rahmen der Neufassung des gesamten Kapitels 4 Abschnitt 1 (§§ 36 bis 44 SGB II) mit Art. 2 Nr. 32 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zum 1.1.2011 erwähnt worden. Die Vorschrift ist aber unverändert geblieben.
1 Allgemeines
Rz. 2
Mit dem Umzug einer von Gewalt betroffenen Frau in ein Frauenhaus wird regelmäßig der gewöhnliche Aufenthalt am Standort des Frauenhauses begründet. Gemäß § 36 Abs. 2 sind dann die dort zuständigen Träger der Leistungen nach diesem Buch örtlich zuständig. Damit erhalten von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder Leistungen nach diesem Buch am Ort des Frauenhauses. Durch § 36a soll die einseitige Kostenbelastung derjenigen Träger nach dem SGB II vermieden werden, die Frauenhäuser unterhalten (Böttiger, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 36a Rz. 2). Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift greift die Erstattungspflicht auch bei einem Wechsel des Frauenhauses (Paulenz/Schoch, in: Münder/Geiger, § 36a Rz. 12). § 36a regelt den Erstattungsanspruch abschließend und lässt für eine entsprechende Anwendung der §§ 662, 670 BGB keinen Raum (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 24.11.2016, L 6 AS 736/16). Die Vorschrift gilt auch für Optionskommunen nach §§ 6, 6a (allg. Meinung, vgl. Striebinger, in: Gagel, SGB II, § 36a Rz. 1).
2 Rechtspraxis
2.1 Zuflucht ins Frauenhaus
Rz. 3
Die Erstattungsfähigkeit der Kosten ist nur bei einem Aufenthalt in einem Frauenhaus gegeben. Bei Frauenhäusern handelt es sich um Zufluchtsstätten für Frauen (und evtl. ihre Kinder), die von ihren Partnern physisch oder psychisch misshandelt wurden und sich dementsprechend in einer Gefährdungssituation befinden (König, in: BeckOK, SGB II, § 36a Rz. 6; Paulenz/Schoch, in: Münder/Geiger, SGB II, § 36a Rz. 1). Kennzeichnend ist dabei, dass die Frauen ihre Selbstständigkeit, d. h. die eigenständige Lebensgestaltung bewahren sollen. Aus Sicherheitsgründen werden die Adressen der Gebäude nicht in öffentlichen Verzeichnissen publiziert. Männern wird normalerweise grundsätzlich der Zutritt verweigert. Die Beratung erfolgt durch die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser sowie durch mit den Frauenhäusern kooperierende Psychologinnen, Rechtsanwältinnen und Sozialarbeiterinnen. Auf den Träger des Frauenhauses kommt es dabei nicht an. Träger können sowohl öffentlich-rechtliche Organisationen als auch private Institutionen sein. Frauenhäuser im Sinne von § 36a können sowohl ganze Häuser als auch einzelne Wohnungen sein (König, a. a. O., Rz. 6). Keine Frauenhäuser sind Krankenhäuser, psychiatrische Einrichtungen oder Projekte für ein betreutes Wohnen. Noch nicht abschließend gerichtlich geklärt ist die Frage, ob auch Einrichtungen, die auch der Zuflucht von Männern dienen, Frauenhäuser i. S. der Vorschrift sind (verneinend: König, a. a. O., Rz. 7, Böttiger, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 36a Rz. 17 unter Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber bewusst die Folgen einer Zufluchtnahme von Frauen und deren Kinder in Frauenhäusern regeln wollte).
Rz. 4
Die Kostenerstattung nach § 36a findet statt, wenn eine Person in einem Frauenhaus "Zuflucht" sucht. Zuflucht ist das Aufsuchen eines Frauenhauses mit dem Ziel, dort vorübergehend Schutz zu erhalten (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.10.2021, L 2 AS 551/19; Schlegel/Voelzke, in: jurisPK-SGB II, § 36a Rz. 8. Aus welchen Gründen eine Aufnahme in das Frauenhaus erfolgt ist, ist nicht entscheidend (a. A. wohl Böttiger, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 36a Rz. 17, der verlangt, dass die Aufnahme in das Frauenhaus aufgrund einer Gefährdungssituation im Sinne von häuslicher Gewalt resultiert). Es kommt nach dem Gesetzeszweck auch nicht darauf an, ob der Aufenthalt im Frauenhaus tatsächlich erforderlich war (so SG Heilbronn, Urteil v. 11.10.2018, S 15 AS 705/18). Nicht ausreichend ist allerdings, wenn der Aufenthalt im Frauenhaus allein der Vermeidung von Obdachlosigkeit diente (so wohl LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 5.10.2021, L 2 AS 551/19). Die Kostenerstattung greift damit zu dem Zeitpunkt, in dem die Frau in das Frauenhaus aufgenommen wurde. Auf die Dauer des Aufenthalts im Frauenhaus kommt nicht an. Allerdings sehen Richtlinien oder Weisungen teilweise vor bzw. empfehlen, dass bei einem Aufenthalt von mehr als 3 Monaten der kostenerstattungspflichtige Träger Auskunft darüber verlangen kann, warum der Aufenthalt weiterhin notwendig ist (z. B. Richtlinie des Landkreistags und Städtetags Baden-Württemberg zu § 36a, Stand: 3/2013; Erlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen v. 7.7.2009, II B 4 – 3761). Die Kostenerstattung endet mit dem Auszug d...