Rz. 4

Die Aufzählung der Fälle, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, ist abschließend. Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach Nr. 1 sind das Arbeitslosengeld II, das Sozialgeld, Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit nach § 25, der Zuschuss nach § 26 und die Leistungen des Bildungspaketes nach § 28. Zu den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gehören auch die Eingliederungsleistungen nach § 16 (Burkiczak, in: BeckOK, SGB II, § 39 Rz. 3; Greiser, in: Eicher/Luik, SGB II, § 39 Rz. 17). Nicht erfasst sind Ersatzansprüche nach § 34 (vgl. Conradis, in: Münder, SGB II, § 39 Rz. 11) und Ansprüche aus Erbenhaftung nach § 35 (Burkiczak, in: BeckOK, SGB II, § 39 Rz. 3, Conradis, in: Münder, SGB II, § 39 Rz. 11). Rückforderungsansprüche nach den §§ 45, 48 und 50 SGB X sind nach der zum 1.1.2009 erfolgten Rechtsänderung von Nr. 1 erfasst (Conradis, in: Münder, SGB II, § 39 Rz. 6). Insofern haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Durch die Gesetzesänderung hat sich der Streit darüber erledigt, ob es sich bei Rückforderungsleistungen um "Leistungen" i. S. v. § 39 handelt (vgl. Conradis, in: Münder, SGB II, § 39 Rz. 7).

 

Rz. 5

Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung gegenüber einem Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder entzieht. Hierunter fallen Entscheidungen nach den §§ 44 bis 49 SGB X. Nr. 1 unterscheidet nicht danach, ob die Leistungen der Grundsicherung ganz oder nur teilweise aufgehoben, zurückgenommen, widerrufen oder entzogen werden. Sowohl die vollständige als auch die nur teilweise "Rücknahme" von Leistungen unterfällt daher der Nr. 1 (Burkiczak, in: BeckOK, SGB II, § 39 Rz. 4). Dagegen hat ein Widerspruch gegen einen Bescheid über die Versagung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen fehlender Mitwirkung aufschiebende Wirkung (LSG Sachsen, Beschluss v. 19.4.2016, 7 AS 172/16 B ER; LSG Sachsen, Beschluss v. 20.1.2011, L 7 AS 804/10 B ER; Bay. LSG, Beschluss v. 27.11.2014, L 17 AS 743/14 B ER; Hess. LSG, Beschluss v. 21.6.2013, L 9 AS 103/13 B ER; Conradis, in: Münder, SGB II, § 39 Rz. 15; Greiser, in: Eicher/Luik, SGB II, § 39 Rz. 19).

 

Rz. 6

Durch die Einfügung des Wortes "entzieht" durch Gesetz v. 26.6.2016 mit Wirkung zum 1.8.2016 hat der Gesetzgeber auf die Rechtsprechung reagiert, die unterschiedlich zur Frage entschieden hat, ob der Entzug von Leistungen unter Nr. 1 zu subsumieren ist (dafür: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 8.3.2010, L 13 AS 34/10 B ER; dagegen, Hess. LSG, Beschluss v. 27.12.2010, L 9 AS 612/10 B ER). Nach der Gesetzesänderung steht fest, dass auch bei einem Entzug von Grundsicherungsleistungen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben.

 

Rz. 7

In der Aufzählung der Nr. 1 ist die Erstattung von erhaltenen Leistungen nicht genannt. Deshalb besteht Einigkeit, dass bei Erstattungsbescheiden Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkungen haben und Nr. 1 insoweit nicht greift (Burkiczak, in: BeckOK, SGB II, § 39 Rz. 5a). Gleiches gilt für Aufrechnungen, da sie keine Entscheidung über eine Leistung sind (Burkiczak, in: BeckOK, SGB II, § 39 Rz. 6 m. w. N.). Auch Verrechnungen unterfallen nicht der Nr. 1 (Burkiczak, in: BeckOK, SGB II, § 39 Rz. 7). Fordert der Grundsicherungsträger ein Darlehen zurück, wird darin keine Rücknahme der Leistung zu erblicken sein. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Rückforderungsbescheid haben damit aufschiebende Wirkung (Conradis, in: Münder, SGB II, § 39 Rz. 11). Weitere Verwaltungsakte, die eine "Minderung des Auszahlungsanspruchs" bewirken, wie etwa eine Aufrechnung, fallen nicht unter § 39 (Greiser, in: Eicher/Luik, SGB II, § 39 Rz. 20). Hierzu hätte es aus den genannten Gründen einer ausdrücklichen Regelung bzw. eines gesetzgeberischen Willens bedurft. Auch die Fälligkeit der Tilgung eines Darlehens berührt ebenfalls nicht den sich nach dem Bedarf richtenden Leistungsanspruch an sich, sondern nur den Auszahlungsanspruch (Sächs. LSG, Beschluss v. 27.12.2011, L 5 AS 473/11 B ER).

 

Rz. 8

Nr. 1 ist zum 1.4.2011 ergänzt worden. Danach haben Widerspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsbetrages feststellt, keine aufschiebende Wirkung. Nach der Gesetzesbegründung fallen hierunter Verwaltungsakte nach § 31b Abs. 1 (BT-Drs. 17/3404, Begründung zu Art. 2 Nr. 32 zu § 39, S. 188). Neben den Verwaltungsakten, die Leistungen nach dem SGB II teilweise oder vollständig versagen oder entziehen, hat auch der Widerspruch gegen Sanktionsbescheide keine aufschiebende Wirkung, da diese die Minderung oder den Wegfall von Leistungen feststellen (Sächs. LSG, Entscheidung v. 2.4.2008, L 2 B 141/08 AS–ER; LSG Berlin-Brandenburg, Entscheidung v. 23.10.2006, L 19 B 599/06 AS; LSG Nordrhein-Westfalen, Entscheidung v. 6.2.2008, L 7 B 18/08 AS ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Entscheidung v. 31.7...

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