Rz. 15
Gegen Verwaltungsakte, gegen die nach § 39 ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat, kann nach § 86a Abs. 3 Satz 1 SGG beantragt werden, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise auszusetzen bzw. nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Bei der gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist eine Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung vorzunehmen (summarische Prüfung). Dabei ist die Wertung von § 39 zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden Interessen des Hilfebedürftigen einräumt (Hess. LSG, Beschluss v. 2.1.2017, L 9 AS 739/16 B ER).
Rz. 16
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung setzt voraus, dass dem Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihnen andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert neben-, sondern in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils dem Anordnungsgrund zu verringern sind und umgekehrt (Hess. LSG, Beschluss v. 11.12.2019, L 6 AS 528/19 B ER).
Rz. 17
Im Rahmen des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 5.6.2015, L 4 AS 237/15 B ER). Je geringer die Erfolgsaussichten sind, desto gewichtiger müssen die sonstigen gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens gänzlich offen, so müssen die sonstigen gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände in jedem Fall höher bewertet werden (Sächs. LSG v. 2.4.2008, L 2 B 141/08 AS-ER). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt dann in Betracht, wenn der im Streit stehende Bescheid des Grundsicherungsträgers offensichtlich rechtswidrig ist oder aber hinsichtlich dessen Rechtmäßigkeit zumindest ernsthafte Zweifel bestehen bzw. eine Vollziehung der angefochtenen Entscheidung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Hilfebedürftigen darstellt (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 1.7.2015, L 9 AS 1583/14 B ER; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 5.6.2015, L 4 AS 237/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 9.9.2014, L 7 AS 1220/14 B ER).