2.1 Verfahren nach dem SGB X (Abs. 1 Satz 1)
2.1.1 Träger von Verfahrensrecht
Rz. 6
Abs. 1 Satz 1 enthält eine grundsätzliche Verweisung für das Verwaltungsverfahren im Bereich des SGB II auf das SGB X. Der ausdrückliche gesetzliche Verweis auf das SGB X war wegen der Zuständigkeiten der kommunalen Träger erforderlich (Kallert, in: Gagel, SGB II, § 40 Rz. 49 m. w. N.). Träger von Verfahrensrechten können sowohl natürliche als auch juristische Personen sein. Handlungsfähig sind u. a. die nach bürgerlichem Recht geschäftsfähigen, aber auch solche Personen, die in der Geschäftsfähigkeit beschränkt sind, soweit ihnen durch das bürgerliche oder öffentliche Recht eine besondere Handlungsfähigkeit zuerkannt ist. Minderjährige können ab Vollendung des 15. Lebensjahres Anträge auf Leistungen für Arbeitsuchende stellen. Das SGB X enthält eine allgemeine sozialrechtliche Verfahrensanordnung, soweit keine spezialgesetzlichen Regelungen bestehen.
2.1.2 Amtsermittlungsgrundsatz
Rz. 7
Nach § 20 SGB X gilt der sog. Amtsermittlungsgrundsatz, d. h., der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei sind alle für den Einzelfall bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen. Wie der Träger den Sachverhalt ermittelt, bestimmt er selbst. Er ist nicht an das Vorbringen oder die Beweisanträge der Beteiligten gebunden. Nach § 20 Abs. 3 SGB X ist der Träger verpflichtet, Erklärungen und Anträge entgegenzunehmen und zu dokumentieren. Im Gegensatz zum bisherigen Sozialhilferecht genügt allerdings die bloße Kenntnis der Träger von der Hilfebedürftigkeit des Berechtigten nicht; vielmehr ist nach § 37 SGB II ein entsprechender Antrag des Hilfebedürftigen für die Leistungsgewährung erforderlich.
2.1.3 Beweiserhebung
Rz. 8
Die Beweiserhebung kann formlos erfolgen. Beweismittel ist die Auskunft und die Vernehmung von Zeugen sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auskünfte können vom Träger eingeholt werden, soweit sie nach pflichtgemäßem Ermessen für die Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende kann auch Zeugen vernehmen oder von ihnen eine schriftliche Stellungnahme einholen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X).
2.1.4 Akteneinsicht
Rz. 9
Nach § 25 SGB X besteht das Recht der Akteneinsicht. Dieser Anspruch ist beschränkt auf das Verwaltungsverfahren und bezieht sich nur auf solche Akten, die das Verfahren betreffen.
2.1.5 Bescheid des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Rz. 10
Die Entscheidung des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende über die Gewährung oder Versagung einer Leistung nach dem SGB II erfolgt durch Verwaltungsakt. Entscheidet der Träger nicht, kann ggf. über eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO eine Entscheidung herbeigeführt werden.
Auch wenn der Verwaltungsakt in der Praxis i. d. R. schriftlich ergeht, ist er grundsätzlich an keine bestimmte Form gebunden. Eine schriftliche Bestätigung ist allerdings dann notwendig, wenn der Betroffene dies unverzüglich nach Erteilung eines mündlichen Verwaltungsaktes verlangt und er hieran ein berechtigtes Interesse hat (§ 33 Abs. 2 Satz 2 SGB X).
Der Verwaltungsakt über die Gewährung von Leistungen kann Nebenbestimmungen enthalten. Nebenbestimmungen können eine Auflage (§ 32 Abs. 2 Nr. 4 SGB X), eine Befristung (§ 32 Abs. 2 Nr. 1 SGB X) oder eine Bedingung (§ 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X) sein. Schließlich ist dem Verwaltungsakt eine Rechtsbehelfsbelehrung beizufügen (§ 36 SGB X). Ein Verwaltungsakt wird erst zu dem Zeitpunkt wirksam, in dem er bekannt gegeben wird (§ 37 SGB X).
2.1.6 Rechtsschutz (Abs. 1 Satz 2)
Rz. 11
Gegen einen belastenden Bescheid des Trägers der Grundsicherung ist der Widerspruch bzw. die Anfechtungsklage zulässig. Die Anfechtungsklage kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Rückforderung bereits erbrachter Leistungen in Rede steht. Dagegen ist die Verpflichtungsklage zu erheben, wenn eine Leistung begehrt wird, die vom Träger der Grundsicherung abgelehnt wurde.
Rz. 12
Nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 gilt § 44 SGB X mit der Maßgabe, dass rechtswidrig nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Abs. 1 und 2 nicht später als 4 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben wurde, zurückzunehmen sind. Ausreichend ist, wenn die Rücknahme des Verwaltungsaktes innerhalb dieses 4-Jahres-Zeitraums beantragt wird.
Rz. 13
Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X die Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum bis zu 4 Jahren vor der Rücknahme erbracht. Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bestimmt, dass abweichend von Satz 1 § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe gilt, dass anstelle des Zeitraumes von 4 Jahren ein Zeitraum von einem Jahr gilt. § 44 SGB X dient dazu, einen Ausgleich zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und dem Interesse des Leistungsberechtigten an materieller Gerechtigkeit für den Fall herzustellen, dass eine Verwaltungsentscheidung zum Nachteil des Leistungsberechtigten rechtswidrig war. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist allerdings die in § 44 Abs. 4 SGB X enthaltene 4-Jahres-Frist für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende, die als steuerfi...