2.2.1 Aufhebung von Verwaltungsakten nach Abs. 2 Nr. 3
Rz. 15
Abs. 2 Nr. 3 erklärt § 330 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 und 4 SGB III für entsprechend anwendbar. Es handelt sich um eine dynamische Verweisung auf die jeweils aktuelle Fassung der genannten Vorschriften des SGB III (Löcken, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 40 Rz. 48). Nach § 330 Abs. 2 SGB III ist ein rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegen, der Empfänger der Leistung also "bösgläubig" ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X kann ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt zurückgenommen werden, soweit das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes schutzwürdig ist. Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X ist das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes nicht schutzwürdig, wenn er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat oder der Verwaltungsakt auf falschen Angaben des Begünstigten beruht oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X entfällt das Ermessen des Grundsicherungsträgers (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40 Rz. 7; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 40 Rz. 97; Löcken, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 40 Rz. 52).
Rz. 16
§ 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III betrifft die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung. Dieser ist aufzuheben, wenn die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorliegen. Für die Vergangenheit "soll" der Verwaltungsakt unter den in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen aufgehoben werden. Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, so ist dieser nach § 330 Abs. 4 SGB III mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ein Ermessen des zuständigen Trägers hinsichtlich der Rücknahme besteht nicht (Conradis, in: Münder/Geiger, SGB II, § 40 Rz. 4).
Rz. 17
Nr. 3 verweist auch auf § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Danach gilt: Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Danach wird in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X unterschieden, ob das Vertrauen des Betroffenen auf den Bestand des Verwaltungsaktes schutzwürdig war oder nicht. Im ersten Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, im zweiten Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben. Unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll eine Aufhebung des Verwaltungsaktes bereits zum Zeitpunkt der Änderung erfolgen. Lediglich in atypischen Fällen kann von dieser Regel abgewichen werden. Durch § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III wird der Regelfall durch eine zwingende Aufhebung des Verwaltungsakts zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ersetzt (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40 Rz. 8). Ein Ermessen des Grundsicherungsträgers besteht nicht (Löcken, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 40 Rz. 54).
Rz. 18
Nr. 3 verweist zudem auf § 330 Abs. 4 SGB III (und nicht wie vom Wortlaut der Vorschrift auch angenommen werden könnte auf § 330 Abs. 3 Satz 4 SGB III, der nicht existent ist, vgl. Conradis, in: Münder/Geiger, SGB II, § 40 Rz. 8, und Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40 Rz. 9, die dies als Redaktionsversehen ansieht). Nach § 330 Abs. 4 SGB III gilt: Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. In Bezug auf das SGB II kommen insbesondere an Arbeitgeber gerichtete Leistungen nach § 16 in Betracht (Conradis, in: Münder, SGB II, § 40 Rz. 8). Allerdings existiert im SGB II keine Rechtsgrundlage für die Erstattungspflicht des Arbeitgebers, deshalb wird vom Großteil der Literatur kein wirklicher Anwendungsbereich für § 330 Abs. 4 SGB III gesehen (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40 Rz. 9; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 40 Rz. 103 m. w. N.; Löcken, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 40 Rz. 13). Der entsprechende Verwaltungsakt ist bei Vorliegen der in § 330 Abs. 4 SGB III genannten Voraussetzungen zurückzunehmen. Ein Ermessensspielraum steht dem Grundsicherungsträger dabei nicht zu (so Conradis, in: Münder/Geiger, SGB II, § 40 Rz. 8).
2.2.2 Vorläufige Zahlungseinstellung nach Abs. 2 Nr. 4
Rz. 19
Nach Nr. 4 ist die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 SGB III mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die Grundsicherungsträger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten haben, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen. Nach § 331 Abs. 1 SGB III kann die Agentur für Arbeit die Zahlung einer laufenden Leistung ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig einstellen, ...