2.1 Erstattungsanspruch des Trägers der Grundsicherung (Satz 1)
Rz. 4
Nach Satz 1 steht dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter den Voraussetzungen des § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch gegen den anderen Sozialleistungsträger zu, wenn einer leistungsberechtigten Person für denselben Zeitraum, für den der Träger der Grundsicherung Leistungen nach dem SGB II erbracht hat, eine andere Leistung bewilligt wurde. Satz 1 stellt somit klar, dass bei einer Vorleistung des Träges der Grundsicherung für Arbeitsuchende und im Nachhinein festgestellter vorrangiger Leistungsverpflichtung eines anderen Sozialleistungsträgers unter den Voraussetzungen des § 104 SGB X ein Erstattungsanspruch zugunsten des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende besteht. Satz 1 enthält – anders als Satz 2 – nur eine klarstellende Rechtsgrundverweisung auf § 104 SGB X, regelt jedoch keinen eigenständigen Erstattungsanspruch (BSG, Urteil v. 29.11.2022, B 11 AL 12/21 R; Pattar, in: jurisPK-SGB II, § 40a Rz. 29; Bienert, info also 2019 S. 118).
Rz. 5
Voraussetzung für den Erstattungsanspruch ist, dass der Grundsicherungsträger einer leistungsberechtigten Person Leistungen nach dem SGB II erbracht hat (Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 40a Rz. 10; Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40a Rz. 4 f.). Leistungen sind dabei sämtliche Leistungen des Dritten Kapitels des SGB II (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40a Rz. 4.). Nicht ausreichend für die Anwendung von Satz 1 ist, dass zwar Leistungen vom Grundsicherungsträger bewilligt, aber noch nicht gewährt worden sind (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40a Rz. 4). Voraussetzung für den Erstattungsanspruch ist, dass der Grundsicherungsträger die Leistungen rechtmäßig erbracht hat (Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 40a Rz. 10; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 40a Rz. 33).
Rz. 6
Satz 1 greift demnach nur, wenn der Grundsicherungsträger nachrangiger Leistungsträger ist. Nachrangig verpflichtet ist der Grundsicherungsträger nach § 104 SGB X nur dann, wenn er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Die Nachrangigkeit von Leistungen nach dem SGB II gegenüber anderen Sozialleistungen folgt aus § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB II (Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40a Rz. 11; Blüggel, SGb 2014 S. 61). Auch im Rahmen des § 104 SGB X müssen die Leistungen des nachrangig Verpflichteten materiell rechtmäßig erbracht worden sein (BSG, Urteil v. 31.10.2012, B 13 R 11/11 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 9.12.2015, L 16 R 134/13).
Rz. 7
Satz 1 bestimmt, dass "unter den Voraussetzungen des § 104 des Zehnten Buches" ein Erstattungsanspruch besteht. Daraus wird gefolgert, dass es sich um eine Rechtsgrundverweisung handelt, also alle Voraussetzungen des § 104 SGB X vorliegen müssen, um den Erstattungsanspruch zu begründen (Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 40a Rz. 18 ff.; Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40a Rz. 3; Pattar, in: jurisPK-SGB II, § 40a Rz. 15 und 17; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 40a Rz. 31 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung, wonach auf der Grundlage von § 40a Erstattungsansprüche nach § 104 SGB X erbracht werden). § 104 setzt eine zeitliche Kongruenz der Leistungen, d. h. eine zeitliche Deckung des Leistungszeitraums, voraus (Bay. LSG, Urteil v. 27.10.2016, L 19 R 694/15; Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 40a Rz. 12; Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40a Rz. 9; Kallert, in: Gagel, SGB II, § 40a Rz. 56 m. w. N.). Dabei kommt es nicht auf die übliche Zahlungspraxis, sondern auf die Zahlungspraxis an, die gesetzlich geboten ist (BSG, Urteil v. 29.11.2022, B 11 AL 12/21 R). Nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Bürgergeldes als für einen konkreten Monat ausgezahlte Leistung muss es den Leistungsempfängern am Ende des betreffenden Monats noch zufließen (BSG, Urteil v. 29.11.2022, B 11 AL 12/21 R m. w. N.). Darüber hinaus ist erforderlich, dass der Grundsicherungsträger bereits Leistungen erbracht hat und der vorrangig verpflichtete Leistungsträger für den gleichen Zeitraum Leistungen bewilligt hat (Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 40a Rz. 15). Erforderlich ist zudem, dass es sich um eine rechtmäßige Leistung gehandelt hat (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 4.5.2021, L 4 AS 42/18; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 17.3.2021, L 33 R 703/20 NZB; Merten, in: BeckOK, SGB II, § 40a Rz. 5; Fachliche Weisungen zu § 104 SGB X der Bundesagentur für Arbeit, Stand: 2/2020).
Rz. 8
Über die zeitliche Kongruenz hinaus wird auch eine sachliche Kongruenz gefordert. Danach ist für den Erstattungsanspruch erforderlich, dass die Leistungen des anspruchsverpflichteten Leistungsträgers mit den Leistungen des anspruchsberechtigten Trägers gleichartig sind. Die Gleichartigkeit des Leistungszwecks sei anhand des Leistungszwecks der jeweiligen Leistungen zu definieren (Kallert, in: Gagel, SGB...