2.1 Grundsätze zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit
Rz. 27
Die Vorschrift greift Schwierigkeiten auf, die sich daraus ergeben können, dass nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 die Agenturen für Arbeit und die kommunalen Träger in eigener Verantwortung Leistungen zu erbringen haben und über das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen, die sowohl für kommunale Leistungen wie für Leistungen, die durch die Agenturen für Arbeit erbracht werden, unterschiedliche Auffassungen verschiedener Träger bestehen. Dazu legt die Vorschrift fest, welcher Träger mit verbindlicher Wirkung für den anderen Träger die maßgebenden (Teil-)Entscheidungen trifft. Außerhalb der zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a werden die relevanten Entscheidungen für beide Träger durch die Jobcenter der gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b getroffen. Dabei unterliegt das Jobcenter den jeweiligen Weisungen des nach § 6 Abs. 1 zuständigen Trägers. Die Leistungen der Träger ergänzen einander und hängen von Voraussetzungen ab, die zum Teil für beide Träger übereinstimmen. Leistungsberechtigung und Hilfebedürftigkeit bilden dabei ein gegenseitig voneinander abhängiges System. § 44a löst dies insgesamt i. S. v. Einheitlichkeit auf. So wird auch die trotz der Wahrnehmung der Entscheidungsbefugnis durch die gemeinsamen Einrichtungen verbleibende Verantwortlichkeit der Träger nicht berührt.
Wendet sich der Antragsteller auf Leistungen mit seiner Klage gegen das Jobcenter und dessen Annahme seiner Erwerbsunfähigkeit nach § 44a, so sind dafür die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig (§ 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG). Diese entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 24.2.2022, L 7 AS 1066/22 B).
Rz. 28
Daneben greift die Vorschrift Schwierigkeiten auf, die sich daraus ergeben können, dass aufgrund der Entscheidung der Grundsicherungsstelle über das Vorliegen oder Nichtvorliegen bestimmter Anspruchsvoraussetzungen Leistungsverpflichtungen für andere Leistungsträger aufgrund von Rechtsvorschriften außerhalb der Grundsicherung für Arbeitsuchende erwachsen. Für Fälle, in denen der dadurch verpflichtete Leistungsträger seine Leistungsverpflichtung ablehnt, enthält die Vorschrift einen begrenzten Eskalationsmechanismus. Ggf. muss die Sachentscheidung gerichtlich überprüft werden.
Rz. 29
Wie bisher ist die Agentur für Arbeit zuständig für die Feststellung von Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit. Nach der Neuorganisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende ab 2011 soll in Konfliktfällen die Letztverantwortung für die Entscheidung über die Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit eindeutig zugewiesen sein.
Rz. 30
Erwerbsfähigkeit ist Anspruchsvoraussetzung nach § 7 Abs. 1 Nr. 2. In § 8 sind die Voraussetzungen, die an die Erwerbsfähigkeit geknüpft werden, näher definiert. Das betrifft einerseits die körperliche, geistige und seelische Fähigkeit, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein zu können (vgl. § 8 Abs. 1 und die Komm. dazu). Ob Erwerbsfähigkeit in diesem Sinne vorliegt, ist insbesondere unter medizinischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Auf Streitfälle dieser Art ist § 44a ausgelegt worden. Dahinter steht die Frage, ob volle Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinne vorliegt oder nicht, und in der Folge die weitere Frage, ob sich daraus rentenrechtliche Ansprüche ergeben oder nicht. Dies impliziert eine Betroffenheit des Rentenversicherungsträgers und dessen Leistungspflicht.
Rz. 31
Bei einer teilweisen Erwerbsminderung mögen sich zwar auch rentenrechtliche Fragen stellen, das spielt aber für die Anwendung des § 44a keine Rolle, weil in diesem Fall Erwerbsfähigkeit i. S. d. § 8 Abs. 1 vorliegt. Dasselbe gilt für die sog. Arbeitsmarktrentner. Diese Menschen können zwar eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhalten, sie sind gleichwohl erwerbsfähig i. S. v. § 8 Abs. 1, weil sie noch mindestens 3 (bis 6) Stunden täglich erwerbstätig sein können, wenn auch im Grunde erwiesen ist, dass dies nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich, der Arbeitsmarkt also für sie verschlossen ist. Jedenfalls werden Arbeitsmarktrentner und teilweise erwerbsgeminderte Menschen als erwerbsfähige Antragsteller auf Grundsicherungsleistungen angesehen, so dass sich bei diesen Personenkreisen die Frage nach Leistungen gemäß § 44a aus diesem Grunde nicht stellt.
Rz. 32
§ 44a erfasst auch den Fall der Uneinigkeit über den Zeitpunkt oder einen bestimmten Zeitraum von Erwerbsfähigkeit. Fehlende Erwerbsfähigkeit setzt voraus, dass auf eine absehbare Zeit von mehr als 6 Monaten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes keine Erwerbstätigkeit von mindestens 3 Stunden täglich ausgeübt werden kann. Daraus kann sich insbesondere unter Berücksichtigung der Fallhistorie eine unterschiedliche Beurteilung darüber ergeben, ab wann oder bis wann Erwerbsfähigkeit vorliegt oder nicht.
Rz. 32a
Anhaltspunkte für eine Überprüfung der Erwerbsfähigkeit sind z. B.