Rz. 50
Abs. 3 Satz 4 verpflichtet die Träger, vor Ausübung ihres Weisungsrechts in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung den Kooperationsausschuss nach § 18b zu befassen. Dies deutet zunächst darauf hin, dass es sich um örtliche oder regionale Weisungen handeln muss, also des kommunalen Trägers, der Agentur für Arbeit oder der Regionaldirektion. Dagegen macht es wenig Sinn, bundesweit relevante Weisungen, die allerdings nicht vom kommunalen Träger ausgehen können, einem einzelnen Kooperationsausschuss oder gar allen 16 Ausschüssen zur Befassung vorzulegen (mit dem ungewissen Ergebnis von gegensätzlichen Rückmeldungen). Weisungen von Bedeutung für das gesamte Bundesgebiet, die etwa von der Zentrale der Bundesagentur für Arbeit ausgehen, werden, wenn sie auch nur grundsätzliche Bedeutung haben könnten, von dort mit dem BMAS abgestimmt, weil das BMAS seinerseits die Bundesagentur für Arbeit an seine Auffassung binden kann (§ 47 Abs. 1 Satz 2). Das BMAS kann seinerseits die Vorlage zum Anlass nehmen, den auch für bundesweit relevante Angelegenheiten errichteten Bund-Länder-Ausschuss einzubinden.
Rz. 51
Die Befassung des Kooperationsausschusses ist nur erforderlich, wenn es sich um eine Weisung in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das ist eigentlich nur in seltenen Fällen der Fall, etwa bei der Einführung von IT-Verfahren, massiven Organisations- oder Geschäftsprozessveränderungen, die beide Träger betreffen und Regelungen, mit denen massiv in Rechte der Beschäftigten eingegriffen wird. Dagegen hat es wenig Sinn, z. B. jede fachliche Weisung, auch wenn es sich um Auslegung bundesweit anzuwendenden Rechts handeln sollte, dem Kooperationsausschuss vorzulegen. Fachliche Weisungen berühren stets direkt oder indirekt Arbeitsabläufe oder Geschäftsprozesse in der gemeinsamen Einrichtung und nehmen dementsprechend auch Einfluss auf die Aufgabenerledigung in Verantwortung des anderen Trägers. Das Konzept der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit der Erbringung von Leistungen aus einer Hand kann es aber nicht sein, mit jeder beabsichtigten Weisung eines Trägers den Kooperationsausschuss zu befassen. In der Praxis werden aber jedenfalls auch alle Bundesländer und die kommunalen Spitzenverbände vor Herausgabe zentraler Weisungen durch die Bundesagentur für Arbeit konsultiert.
Rz. 52
In Fällen der Befassung des Kooperationsausschusses nach § 18b hat dieser Gelegenheit, innerhalb von 2 Wochen nach Anrufung eine Empfehlung abzugeben. Das Gesetz zwingt ihn also nicht zu einer Stellungnahme oder Empfehlung, berücksichtigt aber auch, dass im Kooperationsausschuss möglicherweise keine Einigung erzielt werden kann, etwa weil sich der Bund gegen eine Weisung der Kommune stellt oder die zuständige oberste Landesbehörde gegen eine Weisung der Bundesagentur für Arbeit. Gibt der Kooperationsausschuss eine Empfehlung ab, muss sich der zuständige Träger an diese Empfehlung nicht unbedingt halten. Im Bereich der Aufsicht über die Bundesagentur für Arbeit kann das BMAS der Bundesagentur für Arbeit allerdings eine entsprechende Weisung erteilen, denn das Bundesministerium kann ja die Bundesagentur für Arbeit an seine Auffassung binden, und wenn eine Empfehlung des Kooperationsausschusses zustande kommt, darf davon ausgegangen werden, dass diese Einigung im Zweifel nicht gegen den Willen des BMAS zustande gekommen ist. Im Bereich der kommunalen Träger müsste sich ein verfassungsmäßiges Weisungs- oder Bindungsrecht aus landesrechtlichen Vorschriften ergeben.
Rz. 53
Eine Empfehlung des Kooperationsausschusses wird zumeist darauf hinauslaufen, eine Weisung durch entsprechende Formulierungen etwas aufzuweichen, unter Vorbehalte zu stellen, zu befristen, um sie einer Überprüfung zu unterziehen. Dagegen ist nicht zu erwarten, dass der Kooperationsausschuss sich gänzlich gegen eine Weisung aussprechen wird, wenn diese aus gutem Grund beabsichtigt ist. Die Frist von 2 Wochen für eine Empfehlung dient jedenfalls nicht dazu, darüber zu befinden, ob einer Empfehlung des Kooperationsausschusses gefolgt wird oder nicht, weil die Empfehlung fristgerecht beim Träger eingegangen ist oder nicht. Vielmehr soll der Träger nur 2 Wochen warten müssen, nachdem der Kooperationsausschuss mit der beabsichtigten Weisung befasst wurde, diese also beim Kooperationsausschuss eingegangen ist. Nach Ablauf dieser Frist darf der Träger seine Weisung in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung erlassen, ohne dass ihm Abs. 3 Satz 4 und 5 entgegengehalten werden kann.