Rz. 28
Auf Antrag des Leistungsberechtigten sind nach § 309 Abs. 4 SGB III entsprechend die Reisekosten zu erstatten, die aus Anlass der Meldung entstehen. Die Erstattung der Reisekosten steht im Ermessen des Grundsicherungsträger (Mushoff, in: BeckOK, SGB II, § 59 Rz. 23; Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 59 Rz. 18; Winkler, in: Gagel, SGB II, § 59 Rz. 26). Der SGB II-Träger kann seine Ermessensentscheidung nicht auf ihre internen Geschäftsanweisungen stützen, die in Anlehnung an eine inzwischen weggefallene Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesagentur getroffen worden. Die Ausübung von Ermessen nach näherer Maßgabe von ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften ist zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden. Derartige Vorschriften haben aber nur verwaltungsinterne Bedeutung ohne Verbindlichkeit für die Auslegung des zugrundeliegenden Gesetzes. Sie können allenfalls eine Selbstbindung der Verwaltung bewirken und einen Anspruch auf Gleichbehandlung begründen. Die Festlegungen in ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften müssen ihrerseits den generellen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung genügen.
Rz. 29
Bei der Ermessensentscheidung müssen sowohl die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Leistungsberechtigten sowie die Höhe der durch die Fahrtkosten anfallende Belastung des Leistungsberechtigten aber auch der Grund für die Meldeaufforderung berücksichtigt werden (Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 59 Rz. 20). Sollte ein Meldepflichtiger mittellos sein und deshalb den Meldetermin nicht wahrnehmen können, ist das Ermessen des Grundsicherungsträgers auf Null reduziert und die Fahrtkosten sind zu erstatten bzw. ggf. vorab zur Verfügung zu stellen (Bay. LSG, Beschluss v. 21.7.2014, L 7 AS 587/13 NZB; ebenso Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 59 Rz. 18, wonach der Meldepflichtige grundsätzlich verlangen kann, dass ihm die finanziellen Mittel zur Bestreitung der Reisekosten im Voraus zur Verfügung gestellt werden; ebenso: Winkler, in: Gagel, SGB II, § 59 Rz. 26).
Rz. 30
Eine Wegstreckenentschädigung für die Wahrnehmung eines Meldetermins durch den Grundsicherungsträger kann nur gewährt werden, wenn die tatsächlich angefallenen Kosten abgerechnet und nachgewiesen werden. Dabei kann eine pauschalierte Entschädigung nach einem festen Satz je Kilometer nur dann gewährt werden, wenn die Anfahrt tatsächlich mit einem Kraftfahrzeug erfolgte. Wird die Art des benutzten Verkehrsmittel dagegen nicht nachgewiesen, scheidet die Gewährung einer Entschädigung aus (Bay. LSG, Beschluss v. 24.2.2016, L 11 AS 698/15). Nach der Praxis der Bundesagentur für Arbeit werden bei der Benutzung eines Fahrrades keine Kosten erstattet. Nach Auffassung des SG Leipzig verstößt es gegen das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum, Rad fahrende Bezieher von Bürgergeld die Fahrtkostenerstattung grundsätzlich zu verweigern (SG Leipzig, Urteil v. 18.3.2020, S 17 AS 405/19). Nach Auffassung des LSG Bayern wird die Anreise mit einem Fahrrad mit 5,00 EUR/Monat bei viermaliger Nutzung je Monat (§ 5 Abs. 3 BRKG i. V. m. § 16 BRKG und der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz – BRKGVwV – dort 5.3.1) abgegolten (LSG Bayern, Beschluss v. 24.2.2016, L 11 AS 698/15).
Rz. 31
Die Erstattung ist in persönlicher Hinsicht auf den Leistungsberechtigten und eine ggf. erforderliche Begleitperson beschränkt. Die Reisekosten einer Begleitperson werden übernommen, wenn die Begleitung notwendig war. Die Notwendigkeit einer Begleitperson kann sich aus dem Gesundheitszustand des Hilfebedürftigen ergeben. Gerechtfertigt dürfte eine Begleitperson aber auch bei Ausländern mit Schwierigkeiten in der deutschen Sprache sein. Dagegen ist die Begleitung durch eine rechtskundige Person grundsätzlich nicht notwendig.
Rz. 32
Der Höhe nach sind nur die notwendigen Reisekosten zu übernehmen, was regelmäßig die Kosten für die Benutzung des preisgünstigsten, regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittels umfasst. Hinsichtlich des Umfangs der Kostenübernahme sind die Regelungen des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) heranzuziehen, denn sie stellen eine Präzisierung der möglichen Leistungen dar und dienen einer nachvollziehbaren, kostendeckenden und verwaltungseinfachen Pauschalierung (Bay. LSG, Beschluss v. 24.2.2016, L 11 AS 698/15; Bay. LSG, Beschluss v. 27.3.2012, L 11 AS 774/10; Mushoff, in: BeckOK, SGB II, § 59 Rz. 23; Blüggel, in: Eicher/Luik/Harich, SGB II, § 59 Rz. 19 ). Die notwendigen Reisekosten bei der Benutzung eines eigenen Pkw bemessen sich regelmäßig nach § 5 Abs. 1 BRKG, d. h. mit 0,20 EUR je gefahrenem Kilometer (Bay. LSG, Urteil v. 27.3.2012, L 11 AS 774/10). Bei der zugrunde zu legenden Strecke ist zwar grundsätzlich auf die kürzeste Straßenverbindung abzustellen. Eine längere Strecke ist dann zugrundezulegen, wenn diese offensichtlich verkehrgünstiger ist (Bay. LSG, Urteil v. 27.3.2012, L 11 AS 774/10). Eine sog. Bagatellgrenze besteht nicht (Winkler, in: Gagel, SGB II, § 59 Rz. 26)....